Kritisches zu einem musikethnologischen Schallplattentext
(2010 im Zusammenhang mit meinen Darlegungen "Über bestimmte Eigentümlichkeiten im Umgang mit der deutschen Cister…" entstanden; insbesondere in Hinsicht auf die dortige Anmerkung Nr.41.)

Das in Bezug auf die neofolkloristischen Entwicklungen in der DDR immer wieder unverkennbar gezielt fehldarstellende Wirken von Erich Stockmann, war mir zunächst im Zusammenhang mit seinem diesbezüglichen Auftreten im DDR-Rundfunk (insbesondere anlässlich seines entsprechenden Rundfunkgespräches mit Klaus Stecker und Jo Meyer)(01) aufgefallen. Erich Stockmann gestaltete dann aber auch eine Reihe von Rundfunksendungen in denen er eher als international bedeutender Musikspezialist zu ethnischer Musik aus aller Welt wirken konnte. Sendungen, die ich mir natürlich interessiert anhörte. Dazu hatte ich dann wiederum folgendes Erlebnis: Über meine Schwester, welcher zuweilen auf beruflichem Wege bestimmte ethnologische Musik-Materialien zugänglich waren, konnte ich mich manchmal mit verschiedenen Dokumentationen zu bestimmten afrikanischen und asiatischen Musikkulturen, vertraut machen. Insofern musste mir dann auch eine Sendung von Erich Stockmann auffallen, deren Musik ich kurz zuvor bereits gehört hatte und nun also, sofort mit entsprechender CD und Beiheft in der Hand, vergleichend weiter hören wollte. Dabei musste mir auch auffallen, dass die nun über den Rundfunk zu hörenden Musikkommentare offenbar einfach aus dem zur abgespielten CD gehörenden Begleittext abgelesen wurden. Eine zwar vielleicht nicht ganz solide, aber doch keineswegs ungewöhnliche Verfahrensweise. Über den gleichen Sender hatte ich damals bereits erlebt, dass auch Texte aus meinen Veröffentlichungen zum Dudelsack, einfach, ohne Verweis auf mich, in Sendungen zum Dudelsack, an denen ich auch nicht beteiligt war, verlesen wurden. Und durchaus Vergleichbares war mir auch schon außerhalb von Musikethnologie im sonstigen Wissenschaftsbetrieb der DDR begegnet.(02) Und trotz dieser 'Nichtungewöhnlichkeit' neigte ich hier doch wieder dazu Derartiges als ärgerlich zu empfinden, wenn ich dabei etwa vergleichend meine Anstrengungen in Bezug auf bestimmte Musiksendungen im DDR Rundfunk zu bedenken hatte, welche mir schließlich jeweils viel Zeit und Mühe in der Vorbereitung und manchmal auch noch viel Ungemach und Ärger im Nachhinein (bis hin zum dann willkürlichen und niemals exakt begründeten Absetzen meiner Sendungen) bereitet haben. Da stehen eben die engagiert zeitaufwändigen Bemühungen eines musikantisch-amateurischen Außenseiters, den nahezu anstrengungslos ablaufenden Unternehmungen eines etablierten Wissenschaftsprofis gegenüber. Und ich könnte wohl auch kaum als glaubwürdig gelten, wenn ich etwa behaupten würde, darüber dann nicht weiter nachgedacht zu haben, weil mir so etwas vielleicht vollkommen egal sei…
Aber dieses Beispiel gehört, neben einem solchen, dabei vielleicht zu Recht als 'kleinlich und neiderisch' zu kennzeichnendem Nachdenken, auch noch in einem viel weiteren Zusammenhang zu den von mir dabei als charakteristisch angesehenen Beispielen eines in besonderer Weise verkommenen Wissenschaftsprofessionalismus, dessen Verkommenheiten letztlich noch viel deutlicher werden, wenn man dann auch mit einem überaus fragwürdigen Musik-Begleittext von Erich Stockmann selbst konfrontiert wird.
Zu seinem Umgang mit nichteigenen Musik-Texten kann man immer noch die Wissenschaftshoffnung haben, dass diese doch aber sicherlich als Ergebnisse solider musikethnologischer Forschung zustande gekommen sind und ihm dann, als der dazu international bekannten Wissenschaftsautorität, auch in diesem Sinne aus aller Welt zugeschickt wurden.
Wie sähe es aber vergleichsweise aus, wenn etwa in einem afrikanischen Rundfunksender entsprechende Musikbegleittexte von Erich Stockmann zur Kommentierung deutscher Volksmusikentwicklungen vorgetragen würden?
Sowohl diese gezielt provokant 'weit her geholte' Frage, als auch die viel näher liegende, wie sich ein entsprechender Textgebrauch wohl unter den gegenwärtigen musikethnologischen Wissenschaftsbedingungen in Deutschland selbst auswirken kann, geben mir Grund für eine entsprechend eingehendere Auseinandersetzung.
Zu den entsprechenden Fragwürdigkeiten seines Begleittextes zur 1985 bei AMIGA erschienenen "Folk's Tanz Haus" LP hatte ich mich schon zu DDR-Zeiten, aber auch danach, immer wieder kritisch geäußert, wie ebenso auch zu den spezifischen Eigenarten des Zustandekommens gerade dieser LP.(03)
Wenn man den dortigen Text näher betrachtet, werden neben vielen anderen musikethnologischen Problemkonstellationen, auch wieder Fragen zur Problematik von 'Profis' und 'Amateuren' bzw. zu 'professionellem Volksmusikantentum' und zum 'Selbermachen von Volksmusikinstrumenten' ins Auge springen können.
Gerade zur letzteren Problematik offenbart sich da - ganz ähnlich wie ich schon an anderer Stelle geschildert habe,(04) wieder eine spezifische Tendenz zu verfälschender Legendenbildung, welche in diesem Schallplattentext allerdings auch bis zur offensichtlichen Lüge gerät.
Was das tatsächliche Selbermachen bestimmter Volksmusikinstrumente innerhalb der damaligen 'Jugend-Musikfolklorebewegung' in der DDR betrifft, so meine ich natürlich, dass dies sicherlich mit zu den charakteristischen und durchaus hervorhebenswerten Besonderheiten innerhalb dieser damaligen Kulturentwicklungen gehört. Solche Aktivitäten waren tatsächlich in sehr vielen dieser neu entstandenen Musikfolkloregruppen verbreitet, - aber eben keineswegs in allen.
Denn es gab auch Gruppen (wie etwa Folkländer oder Wacholder und später dann auch Heureka oder Jams usw.), auf die dies nur in sehr geringem Maße, oder eben auch überhaupt nicht zutraf.
Dabei könnte man wiederum Gruppen, in denen entsprechende Selbstherstellungs-Aktivitäten eher zeitweise im Sinne der Erlangung eines dringend benötigten Instrumentes oder auch im Sinne der aktuellen Befriedigung eines bestimmten "Selbstherstellungs-Bedürfnisses" erfolgten (wie es damals durchaus in vielen Gruppen bzw. bei entsprechend engagierten Gruppenmitgliedern zu finden war) von solchen Gruppen unterscheiden, bei denen solche Aktivitäten in eher permanenter und grundsätzlicher Weise ausgeprägt waren, wie z.B. (um nur einige von diesen zu nennen) Jack&Genossen, Spilwut, Windbeutel, Volkslied, Hofgesindt, Landleut, Antiqua, Interfolk usw. unterscheiden. Was z.B. die Selbstbau-Aktivitäten zum Dudelsack betrifft, so habe ich mich zu dementsprechenden hochbemerkenswerten Unterschieden innerhalb damaliger Gruppenaktivitäten in der DDR, ebenfalls bereits eingehender geäußert.(05)
Was aber nun diesen Text von Erich Stockmann betrifft, so wird zu den auf dieser LP versammelten Musikanten ausgeführt:
"Volksmusikinstrumente im engeren Sinne, wie Dudelsack und Drehleier, die nicht zu kaufen waren, wurden von ihnen sogar nach geduldigem Studium und zeitaufwendigen Versuchen selbst hergestellt."
Abgesehen von der mir hier, aus wieder anderen grundsätzlichen Gründen (zumal auch in Hinsicht auf eine genauere Analyse deutscher und dann wiederum spezifisch ostdeutscher-DDR-Musikfolklore Bedingungen), höchst zweifelhaft bzw. fragwürdig erscheinenden Einordnung von Drehleier und Dudelsack unter "Volksmusikinstrumente im engeren Sinne" und der dabei ebenfalls fragwürdig heroisierend aufpolierten Formulierung zu "geduldigem Studium und zeitaufwendigen Versuchen", die man vielleicht jeweils als Ansichtsache abtun könnte, sind die sonstigen Aussagen seiner Darstellung nicht nur fragwürdig, sondern eben auch in einer wiederum aufschlussreichen Weise unwahr.
Drehleiern wurden in der DDR (ganz im Unterschied etwa zu dem dann in dieser neueren Musikfolkloreszene vorwiegend verwendeten, und auch auf dieser LP entsprechend zu vernehmenden Dudelsacktyp) schon seit vielen Jahren immer wieder professionell hergestellt und waren - durchaus auch im Unterschied zu anderen sonstigen, hierzulande etwa für den Export produzierten Musikinstrumenten - auch immer wieder in der DDR selbst 'zu kaufen'. Seine diesbezügliche Behauptung beruht dabei nicht etwa einfach nur auf entsprechender Unkenntnis (die wohl trotzdem bei ihm signifikant war), sondern folgte wohl auch einer durchaus üblichen und in entsprechender Interpretation von DDR-Verhältnissen geradezu unbezweifelbar durch allgemeine Akzeptanz unterstützten Sprach-Mentalität zu all den Dingen die hierzulande eben "nicht zu kaufen" waren… So etwa eben auch Autos (zu denen man als DDR Bürger oftmals zehn Jahre zu warten hatte) oder auch Bananen und freilich zuweilen auch Tomaten oder Zwiebeln usw., an die man, gegebenenfalls ja nicht einmal mit längeren Wartezeiten heran kommen konnte…
Um eher die wirkliche, und nicht nur die ideologisch-kurzschlüssig vereinfachend-verallgemeinernd empfundene Realität in der DDR bedenken zu können, möchte ich im Sinne eines besseren Verständnisses der entsprechenden tatsächlichen damaligen Problemlage innerhalb der damaligen Musikfolkloreaktivitäten in der DDR, auf einer Reihe von Differenzierungen bestehen.
So hatte ich schon darauf hingewiesen, dass ein solcher, wie der auf dieser LP zu hörende Dudelsacktyp, tatsächlich niemals innerhalb der staatlich verwalteten DDR-Musikinstrumentenindustrie hergestellt wurde und insofern auch niemals derartige, etwa von dort stammende Dudelsäcke, im offiziellen Musikinstrumentenhandel der DDR 'zu kaufen waren', was aber nicht heißt, dass man solche Instrumente (zumal in den Zeiten der doch erst später erfolgenden Entstehung der auf dieser Platte dokumentierten 'Tanzhausinitiativen') etwa nicht hätte kaufen können. Auch der Dudelsack der auf dieser LP dokumentiert ist, wurde keineswegs einfach von dem jeweiligen Spieler der da auf Platte zu hören ist, selbst hergestellt, - auch wenn dann im Plattentext das Gegenteil behauptet wird.(06)
Ganz anders aber sieht es eben in Hinsicht auf die Drehleier aus, welche in der DDR sowohl professionell hergestellt wurde, als auch entsprechend offiziell im staatlichen Musikinstrumentenhandel gekauft werden konnte; - freilich nur zu Preisen die für damalige jugendliche Neo-Musikfolkloristen zumeist nur schwer zu bezahlen waren. Um diese 'Drehleier-Lage' nun auch aus eigenem Erleben und eigenem Beteiligt- und Betroffen- Sein zu belegen, möchte ich dazu auf einige diesbezügliche Beispiele verweisen um damit auch weitere Differenzierungen zu verdeutlichen:
So meine ich, dass sich unter den zuweilen in DDR-Fernsehproduktionen und DEFA-Filmen zu erlebenden Drehleiern, wohl auch Instrumente aus der Vogtländischen Musikinstrumentenproduktion befanden, denn solche Instrumente konnten dort schließlich in Auftrag gegeben werden. Wenn es hingegen damals um altdeutsche Dudelsäcke ging, so wurde immer wieder, sowohl vom Fernsehen als auch seitens der DEFA (oder auch seitens anderer Institutionen, wie z.B. Museen etc.) bei mir (und vielleicht auch bei Klaus Stecker oder Roman Streisand - was ich nicht weiß, aber vermute) um entsprechend zu verleihende (oder eben auch anzukaufende) Instrumente angefragt. Ich selbst habe damals auch an Film und Fernsehen in der DDR mehrfach entsprechend angeforderte und von mir selbst hergestellte Dudelsack-Instrumente verliehen und auch verkauft. Andererseits handelte es sich etwa auch bei der Drehleier von Prof. Krug (Musikhochschule Hans Eisler), welche er sowohl zu seinen Vorlesungen, als auch zu verschiedenen Musikproduktionen und sonstigen Auftritten einsetzte, um ein in der DDR hergestelltes und eben dann auch "gekauftes" Instrument. Dieses, eben keineswegs "selbstgebaute" Instrument, wurde in den Zeiten des damaligen 'Neo-Folklore-Booms', dann auch zu Studier-Aufnahmen von deutschen Volksliedern für entsprechende Veranstaltungen im Palast der Republik eingesetzt, zu welchen ich dabei unter Leitung von Prof. Krug, als Dudelsackspieler, mit meinem wiederum 'selbstgebauten' Instrument, mitwirken konnte. Außerdem denke ich, dass für die in der DDR auf Schallplatte erschienene Aufführung der Bauernsinfonie von Leopold Mozart ebenfalls eine in der DDR hergestellte Drehleier verwendet wurde, wohingegen es sich bei dem in dieser Aufnahme leider nur schwerlich herauszuhörendem Dudelsack, um ein traditionelles schottisches Instrument handelte, was ich wiederum von Prof. Krug erfahren konnte.
Die erste Drehleier die mir persönlich als ein in der DDR zu kaufendes Instrument begegnete, war ein bereits vorbestelltes Instrument aus der Werkstatt von Herrn Langhammer, welches im führenden Berliner Musikinstrumentengeschäft zur Abholung bereitstand. Dort wurde einige Zeit später auch eine andere, in der DDR hergestellte Drehleier zum Verkauf angeboten. Innerhalb der neueren Folk-Szene wurden Drehleierwünsche (ebenfalls bereits Jahre vor der erst später einsetzenden "Tanzhausbewegung") dann zumeist auch mit dem Namen dieses jungen Instrumentenbauers, der sich zudem gerade auch zu den damaligen Neo-Folkloreaktivitäten als sehr aufgeschlossen erwies, verbunden. Ich hatte ihn damals, nach meiner ersten Begegnung mit einem seiner Instrumente, in seiner Werkstatt besucht, ihn am Beispiel eines meiner "Selbstbau-Instrumente" mit meinen Dudelsackaktivitäten bekannt gemacht, und dann bei ihm auch eine entsprechende Drehleier verbindlich bestellt, wobei ich mich auf seine entsprechend hohe Preisforderung, nur im Zusammenhang mit der bei ihm üblichen längeren Lieferzeit, einlassen konnte. Dieses Drehleierbeispiel ist dabei auch in anderer Hinsicht charakteristisch für bestimmte Mentalitäten und entsprechende Entwicklungen innerhalb der damaligen DDR-Neo-Folkszene: Erik Kross von der Gruppe Heureka bestellte dort einige Zeit später ebenfalls ein solches Instrument, war dann aber keineswegs gewillt, darauf etwa lange zu warten, und holte sich alsbald einfach das von mir zuvor bestellte Instrument mit der Begründung bzw. Behauptung, dass er es dringend für berufliche Zwecke benötige und Eichler, der es als nebenberuflicher Musiker doch nicht so dringend benötige, damit angeblich auch einverstanden sei, ab…
Ein wiederum ganz ähnlich schurkenhafter, Drehleier-Aneignungsvorgang zu einem ebenfalls keineswegs in der DDR "selbstgebautem" (sondern einem in Ungarn professionell hergestellten und dann über das Kulturministerium in die DDR eingeführten) Instrument, lief dann auch (dort allerdings in besonderer Verflechtung mit wiederum spezifisch politisch-korruptem Verhalten) im Umfeld der Berliner Gruppe Skye ab.(07) Alles Vorgänge, die im Vergleich zu damaligen Verhaltensweisen und Interessenstrukturen zu Dudelsäcken, von durchaus anderer Art sind und mir insofern auch im Sinne entsprechend weiterer Differenzierungen, als charakteristisch erscheinen. Wie gesagt: Man konnte bereits lange bevor die ersten, später in der Neo-Folk-Szene vorwiegend genutzten, Schäferpfeifen in der DDR entstanden (und alsbald auch sowohl für entsprechend aktive Musikanten dieser Neofolk-Szene, als auch für ganz andere Interessenten zu kaufen waren), in diesem Lande schon Drehleiern bestellen und dann eben auch käuflich erwerben. Im Unterschied zu dem genannten und auf dieser Platte zu hörendem Dudelsacktyp, konnten Drehleiern dabei keineswegs als etwas Neues, sondern eben eher als etwas Seltenes und Außergewöhnliches, - aber keineswegs als etwas, was man nicht hätte kaufen können, gelten.(08)
Dementsprechend - aber wohl auch aus verschiedenen anderen Gründen - gestalteten sich dann die musikfolkloristischen Selbstherstellungsaktivitäten zu Drehleiern auch jeweils ganz anders, als etwa zu Dudelsäcken Das neofolkloristische Interesse für dieses, doch offensichtlich 'edlere' und auch generell schwieriger zu beherrschende Instrument, welches sich zudem auch offensichtlich entsprechend schwieriger selbst herstellen ließ, war damals deutlich geringer als bei Dudelsäcken. Dementsprechend waren auch diesbezügliche Selbstbau-Aktivitäten weitaus geringer. Denn zu diesem Instrument werden, zumal wenn man auch von bestimmten spieltechnischen Vergleichungen und sonstigen musikantisch möglichen Vorlieben absieht, wiederum weitere wesentliche Unterschiede deutlich. Schon allein die Tatsache, dass Drehleiern nicht so, wie oftmals bei Dudelsäcken doch möglich, in musikantisch praktikabler Weise 'Schritt für Schritt' (also zunächst eine noch mundgeblasene Schalmei, dann dazu ein Sack mit Ventilrohr und letztlich auch noch verschiedene Bordunpfeifen, oder gar noch einen Blasebalg etc.) 'aufgebaut' werden können, sondern in einer, auch handwerklich weitaus schwierigeren und langwierigeren Weise eher als 'kompaktes musikinstrumentelles System' konzipiert und realisiert werden müssen, kann abschreckend wirken. In anderer Hinsicht können wiederum gerade derartige Besonderheiten spezifisch motivierend wirken, denn wem es gelingt, auch solche instrumentenspezifischen Selbstherstellungs-Hürden zu bewältigen, dem wird innerhalb aller sonstigen vergleichbaren Szene-Aktivitäten, dann auch besondere Anerkennung und entsprechende Aufmerksamkeit zu Teil werden, zumal wenn er dann auch entsprechende spieltechnische Hürden an seinem Instrument, zu meistern vermag.
Man könnte in Fortführung dieser hier entwickelten Vergleichssicht, nun noch weitere Aspekte (so etwa auch die soeben bewusst ausgeblendeten, musikantisch-spieltechnischen Unterschiede) intensiver bedenken, und dabei auch auf die aufschlussreiche Tatsache verweisen, dass sich ja innerhalb dieser damaligen Instrumenten-Selbstbau-Szene in der DDR, alsbald auch eine ebenfalls neuartige, 'de facto' professionelle Herstellung von Dudelsäcken im Sinne ihres kommerziellen Verkaufs herausgebildet hat, wovon mit Blick auf die Drehleier wohl wiederum kaum die Rede sein kann usw.
Um aber nun auch wieder auf die entsprechende Darstellung von Erich Stockmanns genauer einzugehen, muss ich auch auf die auf dieser LP entsprechend dokumentierten Instrumente zu sprechen kommen und insofern natürlich auch auf Dudelsack und Drehleier von Jo Meyer sowie die Drehleier der Bierfiedler eingehen.
Dass es sich da bei Jo Meyers Dudelsack keineswegs einfach um ein "selbst gebautes" Instrument gehandelt hat, hatte ich schon angemerkt. Da lässt sich auch die Frage, inwieweit Erich Stockmanns Text in diesem Punkte der Wahrheit entspricht, recht eindeutig beantworten. Durchaus schwieriger verhält es sich nun wieder in Hinsicht auf das dort dokumentierte Drehleierspiel. Dazu meine ich, dass sich da die Frage nach der Wahrheit seiner Darstellung, nur unter Beachtung der hier dargelegten Differenzierungen, gründlicher beantworten lässt.
Zunächst kann ich nicht verleugnen, dass ich diesem Schallplattentext schon beim ersten Lesen sowohl mit wachsendem Erstaunen und alsbaldiger Abneigung, aber dann eben auch mit dem schlechten Gewissen einer bei mir wahrscheinlich ohnehin bereits ausgeprägten Voreingenommenheits-Ablehnungshaltung, begegnet bin, da mir entsprechend verlogene Stockmann-Darstellungen zur Neo-Folk-Entwicklung in der DDR, bereits mehrfach begegnet waren. Nach wiederholtem Lesen wollte ich dazu nun aber auch Jo Meyer befragen, obwohl solche 'nachfragenden Gespräche' inzwischen (sowohl nach entsprechenden 'Stockmann-Rundfunkgesprächen' als auch nach bestimmten, mir allzu 'folkmafiotisch' anmutenden JAMS-Aktionen, und vielem Anderem) bereits schwierig geworden waren. Aber ich wollte - mit Verweis auf diesen Text - einfach wissen, ob er zu diesen Aufnahmen nun tatsächlich seine vor Jahren bei der Gruppe Windbeutel selbstgebaute Drehleier, oder nicht doch das von ihm schon seit einiger Zeit für entsprechend viel Geld gekaufte und dann von ihm auch intensiv gespielte, viel bessere Instrument eines profilierten Drehleierbauers, eingesetzt habe. (In Hinsicht auf Drehleieraktivitäten bei den Folkländern war mir zunächst nur bekannt, dass dort immer wieder mit einem französischen Original-Instrument, welches entsprechenden Gerüchten zufolge, aus einem Theater-Fundus stammte, experimentiert wurde.) Die Antwort von Jo Meyer fiel dann auch entsprechend uneindeutig aus: Beide Instrumente seien von ihm - um entsprechend sicher zu gehen - zu der damaligen Schallplattenproduktion mitgenommen worden, und dann sei auch bei Wiederholungen von manchen Aufnahmen, mal das eine und mal das andere eingesetzt worden, so dass er nun auch nicht sagen könne, bei welcher Platten-Aufnahme nun welches Instrument zu hören sei usw. usf.…
Ganz anders sieht es nun in Hinsicht auf die auf dieser Platte zu hörenden Bierfiedler- Drehleier aus. Da ergab meine Nachfrage alsbald, dass für diese Aufnahmen eine 'Langhammer Drehleier' eingesetzt wurde, zu der ich nun natürlich auch wissen wollte, ob es sich dabei nicht vielleicht sogar um das ursprünglich von mir in seiner Werkstatt bestellte Instrument handeln könnte.(09)
Ich schildere diese doch eher 'kleinkarierten' damaligen Nachfragen zu einer eigentlich doch nur punktuell in Frage stehenden Wahrheit, hier so detailliert, um auch damit eher deutlich zu machen, dass die eigentlich wahrheitswidrigen Aussagen und Verlogenheiten dieses Stockmann-Textes, letztlich eben nicht nur an einem solchen, vielleicht tatsächlich 'nicht ganz exakt' formuliertem 'kleinen Detail', sondern eben nur in größeren Zusammenhängen zu finden und zu bedenken sind, und dort eben auch ihre eigentlichen Wirkungen entfalten.
Was meine entsprechende persönliche Meinung zu diesem Detail in diesen Zusammenhängen anbelangt, so halte ich es für eher wahrscheinlich, dass bei diesen Tanzhaus-Aufnahmen letztlich doch keine "selbst gebaute" Drehleier beteiligt war, und es sich bei der Bierfiedler Drehleier wohl auch um das Instrument handelte, welches zunächst Erik Kross an sich gebracht hatte . Aber das ist schließlich auch nicht sonderlich wesentlich für das Verständnis des eigentlichen Charakters der in diesem Stockmann-Text vorliegenden Wahrheitswidrigkeiten. Wir haben es hier vielmehr mit viel größeren, und für Ihn keineswegs untypischen Verlogenheiten zu tun, die mit der illusionsbildend-wahrheitswidrigen Übertragung von Besonderheiten, welche für bestimmte Bereiche zweifellos als charakteristisch und zutreffend gelten mögen, in von ihm subjektiv favorisierte Bereiche für die dies jedoch keineswegs zutrifft, zusammen hängen, wobei auf diese Weise eben auch der Eindruck einer soliden objektiven Argumentation und einer entsprechend sachgerecht, auf spezifische Besonderheiten bezogenen Darstellung, erzeugt werden kann. Das Besondere was tatsächlich in vielen neueren Musikfolkloregruppen stattgefunden hatte, wird hier, in dieser geschickt-verlogen-übertragenden Weise, nun zur Tanzhausbewegung und insbesondere zu den hier präsentierten (und von ihm wiederum auch in anderer Weise favorisierten) Gruppen behauptet, wobei es doch gerade dort nicht stattgefunden hat, und - so denke ich außerdem dazu - dann dort auch in eine neue Art von Entwicklung geraten war, innerhalb derer gerade Vieles (oder auch fast alles?) von dem was da auch ansonsten zu dieser neuen Musikfolklorebewegung entsprechend lobend und als charakteristische Neuheit hervorgehoben werden konnte, dann auch kaum noch stattfinden wird.
Über die bei Erich Stockmann offenbar in besonderer Weise ausgebildete Fähigkeit auch große monströse Unwahrheiten in griffigen kleinen Formulierungen unter zu bringen, hatte ich mich später auch im Zusammenhang mit seiner entsprechend wohlformulierten Apologetik zur Sachs-Hornbostelschen Systematik(10) auseinandergesetzt.
Hinsichtlich seiner in diesem Schallplattentext vorliegenden 'Methodologie von Übertragung' lässt sich das im Prinzip gleiche Verfahren dann auch in Hinsicht auf andere Aspekte finden - so etwa in Bezug auf seine entsprechenden Darstellungen zu 'halbberuflichen Musikern' - zu denen dort ebenfalls in dieser spezifischen Weise an der Wirklichkeit vorbeiformuliert wird. Ganz ähnlich aber auch in Hinsicht auf seine eher akademisch-theoretiesierend angelegten Volkstanz-Darlegungen, in denen im Vergleich zu den Entwicklungen in Ungarn, von ihm ein "ähnlicher Prozess in unserem Lande" behauptet wird, ohne dabei jedoch auf die dazu entsprechend zu vergleichende Realität in der DDR konkret einzugehen.
Im Gegensinne zu einer solchen Verfahrensweise möchte ich also, - sowohl im Sinne einer weiteren Verdeutlichung als auch diesbezüglicher Vervollständigungen, - zunächst wieder zu Dudelsack und Drehleier von Jo Meyer zurückkehren. Ich denke, - da ich mich daran nur allzu gut erinnern kann, - dass es wohl unzweifelhaft ist, dass er das Spielen von Schalmei und später auch Dudelsack, als Mitglied der Gruppe Windbeutel, bzw. 'innerhalb und im Zusammenhang mit der Arbeit dieser Gruppe' erlernt hat. Ebenso unzweifelhaft ist meiner Erinnerung nach auch die Tatsache, dass er dann innerhalb der Aktivitäten dieser Gruppe - und zunächst zweifellos auch im Sinne einer entsprechenden dortigen Nutzung - eine funktionstüchtige Drehleier gebaut hat, welche dann auch längere Zeit bei den verschiedensten Auftritten dieser Gruppe, sowohl in der DDR als auch im Ausland, erfolgreich eingesetzt werden konnte und auch immer wieder bestaunt und bewundert wurde. Ich hatte - zumal wenn ich ihn außerhalb von Windbeutelauftritten diesbezüglich zu vertreten hatte - auch Gelegenheit auf diesem, mir dann von ihm ausgeliehenen Instrument zu spielen, wobei ich dabei wohl kaum jemals die Spielfertigkeit erreichte, die er sich alsbald bei Windbeutel angeeignet hatte. Ich würde diese Drehleier, zu der ich freilich nicht ganz so viel wie von Dudelsäcken verstehe, durchaus als das damals wohl mit Abstand beste, selbst hergestellte Drehleierinstrument innerhalb dieser neueren Musikfolklorebewegung in der DDR beurteilen. Spätere Selbstherstellungsbemühungen zu einem solchen Instrument bei Windbeutel (sowohl von Reiner Waldow, als auch von mir) waren weniger erfolgreich, - Reiner Waldow spielt heute in dieser Gruppe ebenfalls eine professionell hergestellte Drehleier...
Was nun wieder andere wirklichkeitsverzerrende Ausführungen Erich Stockmanns, auch über "halbberufliche Musiker bei den Jams-Leuten", betrifft, so findet sich da (wie gesagt) ebenfalls das gleiche Übertragungsverfahren.
In Bezug auf die allgemeine DDR-Jugendmusikfolkloreszene und die dort wirkenden Musikantengruppen konnte man anfänglich vielleicht durchaus noch (so unklar eine solche - hier wohl auch eher im Sinne von musikethnologisch drapierter Verschleierung benutzte - Formulierung ansonsten auch sein mag) davon sprechen, dass sich entsprechende Musikgruppen durch dort tätige 'halbberufliche Musiker, mit erlernten und überwiegend noch ausgeübten Berufen' charakterisieren lassen; - ganz so, wie sich dies beispielsweise immer über die Neo-Folk-Gruppen in denen ich persönlich als Mitglied aktiv war (also Jack&Genossen, Windbeutel, Volkslied, Deutsche Dudelsackspieler Runde/DDR), aber eben auch über viele andere Gruppen in der DDR hätte sagen lassen. Keineswegs aber über die auf Initiative von Jo Meyer später entstandene Gruppe Jams. Die diesbezügliche Formulierung von Erich Stockmann, enthält wiederum eine deutliche Aussage wider die Wahrheit, welche hier letztlich wieder auf gleiche Weise aufgebaut und entsprechend eingebettet wurde: Musikfolklore-Legendenbildung durch entsprechend übertragendes Überstülpen von charakteristischen Besonderheiten anderer Bereiche, auf Gebiete und Bereiche innerhalb derer diese Besonderheiten eben gerade nicht charakteristisch sind, sich aber für entsprechend eindrucksvolle Darstellungen gut eignen und so dann eben auch als gut geeignet für charakteristische musikethnologische Legendenbildungen erweisen.
Was nun seine allgemeineren Ausführungen zur Tanzhaus-Bewegung betrifft, so lässt sich dort ein wieder etwas anderer, aber durchaus analoger Übertragungs- bzw. Übernahme-Vorgang, vermerken.
Er jongliert da mit Formulierungsübernahmen aus der musikethnologischen Fachliteratur, bei denen es offensichtlich keineswegs um Ergebnisse diesbezüglicher Analysen zur entsprechenden Wirklichkeit in der DDR geht, sondern wiederum lediglich um entsprechend getarnte Legendenkonstruktionen handelt, welche in der übergestülpten Maske entsprechend ausgewählter Fachformulierungen aus dem Formulierungsrepertoir einer entsprechend agierenden 'Fach-Autorität', dann auch den Anschein von Solidität und wissenschaftlichem Niveau zu erwecken vermögen.
Sobald er sich aber, nach der bereits in dieser Weise gestalteten Einleitung seines Plattentextes, auf eine Schilderung zur entsprechenden realen Folk-Tanzhaus-Entwicklung in der DDR einlässt, gerät sein Text wiederum geradezu zur Lächerlichkeit: Da wird dann ein Legendenbild gestaltet, aus dem entnommen werden kann, dass es im Verlaufe dieser neueren Musikfolkloreinitiativen auch einigen charmanten Tanzmeisterinnen von entsprechenden Animatorengruppen gelungen sei,(11) alsbald den nächsten 'Entwicklungs-Schachzug' nach folgen zu lassen, indem sie für ihre Bestrebungen dann auch ideal geeignete Partner in Form von bestimmten Folk's-Tanz-Musikgruppen finden konnten. Eine Darstellung die ich als ebenso unsinnig und realitätsfern empfinden muss, wie seine dann später eingefügte (und wohl ebenfalls als wiederum charmant gemeintes Männerkompliment zu verstehende) Anmerkung, dass es sich bei der Tatsache, dass in diesen Folk's-Tanz-Haus-Instrumentalgruppen auch Frauen "äußerst gekonnt" ihre Instrumente spielen, um eine "schöne Neuerung" handelt…
Auch seine sonstigen Ausführungen zur Entstehung von Musikfolkloregruppen neueren Typs, sind sowohl hinsichtlich seiner eigenwilligen Aufreihung "erster" Gruppen, als auch seiner sonstigen Darstellung (zu der man den Eindruck bekommen könnte, als ob es zuvor überhaupt keine Musikfolkloregruppen in der DDR gegeben hätte) eher in Richtung auf weitere Legendenbildung, als auf wirklichkeitsgerechte Darstellung angelegt. Und in diese Darstellung lässt sich dann auch das Bild "…einer zunächst staunenden, bald auch begeistert mitsingenden Zuhörerschaft..." treffend einpassen, - ganz unabhängig davon, ob damit auch eine wirklich zutreffende Beschreibung damaliger Verhältnisse und entsprechender Entwicklungen gegeben werden kann.
Es ist sicherlich zutreffend, dass zu manchen der von diesen neuen Folk-Gruppen gespielten Lieder, manchmal auch mitgesungen wurde. Etwas was man zuvor eher bei ganz anderen Liedern in Verbindung mit dem doch ganz anderen Habitus der allgemein verbreiteten FDJ-Singe-Clubs erleben konnte. Mitsingen von Volksliedern zu den Auftritten dieser nun durchaus andersartigen Neo-Folk-Gruppen habe ich damals ebenfalls, sowohl mit Jack& Genossen als auch mit anderen Folk-Gruppen zuweilen selbst erlebt, konnte dabei aber (ebenso wie schon lange zuvor immer wieder) auch erleben, wie schwierig so etwas doch immer wieder mit dem deutschen Publikum sein konnte. Die Deutschen - so meine Erfahrung - kennen in der Regel doch bestenfalls die erste Strophe und der Refrain einiger ihrer Volkslieder. Vollkommen anders, als ich das etwa bei anderen Nationen (insbesondere wenn ich beispielsweise an meine entsprechenden persönlichen Erlebnisse mit Russen, Tschechen, Slowaken, Ungarn, Bulgaren oder auch Iren usw. denke) erlebt habe.
Ich entsinne mich dazu auch an entsprechende Diskussionen zu dieser unübersehbaren 'deutschen Eigenart' im ICTM-Nationalkomitee von Erich Stockmann, und musste mich also angesichts seines LP-Textes dann auch in Hinsicht auf diesen Punkt, über seine dortige Formulierungsleichtfertigkeit wundern.
Denn unzweifelhaft waren auch diese damaligen "ersten" Jugend-Musikfolkloregruppen mit dieser 'deutschen Eigenart' konfrontiert, wobei damals gemeinschaftliches Mitsingen eben doch viel eher eine Domäne der FDJ- Singebewegung war. Damalige "Singegruppen" vermochten es allerdings kaum noch ihre Zuhörerschaft etwa zu überraschen oder in Erstaunen zu versetzen, was den neueren jugendlichen Musikfolkloregruppen aber anfänglich, vor allem aufgrund ihres vielseitigen und flexiblen Instrumentariums, und einer eben auch von daher fundierten neuartigen Musizierweise, durchaus möglich war.
Meiner Erfahrung nach war dabei aber "begeistertes Mitsingen der Zuhörerschaft" weder wesentliches Anliegen, noch wesentliches Merkmal des Agierens derartiger Gruppen. Es spielte freilich eine gewisse Rolle und war manchmal auch beabsichtigt. Das kann ich hier vielleicht auch noch deutlicher machen, wenn ich nicht nur über meine allgemeinen Erfahrungen dazu, sondern auch über meine damaligen Absichten und entsprechende Ansichten innerhalb dieser Musikanten-Szene reflektiere. Von meiner Erfahrung her hegte dort wohl niemand die Vorstellung, dass etwa 'begeistertes Mitsingen von deutschen Volksliedern' das anstrebenswerte Ziel einer entsprechenden Musikfolklore-Veranstaltung zu sein habe oder etwa sein könne. Daran wäre ohnehin nur in Hinsicht auf einige wenige Lieder zu denken gewesen. Also auch eine Sache, die niemals auf lange Sicht unter den Deutschen - jedenfalls nicht mit ihren traditionellen Volksliedern (viel eher vielleicht doch mit bestimmten aktuellen Schlagern) - funktionieren könnte. Die Gruppe Windbeutel hatte sich insofern auch eine besondere Windbeutelei ausgedacht, mit der wir dieser Problemlage begegnen wollten. Wir veränderten bei bestimmten, uns ohnehin wichtigen Liedern, wenn sie uns auch entsprechend zum Mitsingen geeignet erschienen, jeweils den bislang bekannten Ablauf bzw. die übliche Reihenfolge der Strophen, um dann also beispielsweise mit der letzten (oder möglichst auch noch mit einer, die in den üblichen Liederbüchern überhaupt nicht zu finden war) zu beginnen. Das sicherte zunächst sogar mehr Aufmerksamkeit für ein eigentlich bekanntes Volkslied, welches nun etwa als Lied mit bislang 'unbekanntem' Text etc. erscheinen konnte…Also auch genau als das, was das Publikum damals ohnehin von solchen neuartigen Gruppen erwartete: Bislang bekannte Lieder und Tänze "in neuem Gewande", und des Weiteren auch alte unbekannte Lieder in bislang noch unbekannteren Gewändern…Und eine solche, zunächst mit eher unbekannten Strophen bzw. durch ungewohnte Interpretation errungene Anfangs-Aufmerksamkeit, konnte dann, etwa in Annäherung an die nun an letzter Stelle erklingenden ersten und allgemein bekannten Strophen, auch mit jeweils hoher Wahrscheinlichkeit in tatsächlich begeistertes Mitsingen umschlagen. Das genau umgekehrt- übliche Vortragen des gleichen Liedes, konnte (oder musste?) auch mit genau dem gegenteiligen Effekt ablaufen: Ein schon zu Beginn als bekannt erkanntes (und insofern von manchem vielleicht auch schon als 'abgeleiert' empfundenes) Volkslied, bei dem vielleicht in der ersten Strophe noch einige mitsingen wollen, es dann aber vielleicht schon bei der zweiten wieder aufgeben mussten, und dann den Rest des Liedes (vielleicht sogar mit dem nun frustrierendem Gefühl des 'nicht mehr mitsingen Könnens' ) ohne näher angeregte Aufmerksamkeit, über sich ergehen lassen…
Eine wirklich "begeistert mitsingende Zuhörerschaft" bei damaligen Auftritten von neueren Musikfolkloregruppen habe ich persönlich nur selten erlebt, wobei zu meinen diesbezüglich sichersten Erlebnissen, das entsprechende Mitsingen zu entsprechend konzipierten Windbeutelliedern (z.B. "Auf, du junger Wandersmann", aber auch "Nun fahrn wir übern See" u. a.) gehört.
Meine Sicherheit hinsichtlich der dabei dann zu bedenkenden Begeisterung, resultiert aus der Gewissheit, dass auf diese Weise, das Publikum weder belehrt oder zur 'Traditionsverpflichtung' ermahnt wurde, noch etwa zu dumpfem Mitmachen oder zu trunken-gemeinschaftssinniger Begeisterung angehalten wurde, sondern dabei jedem Beteiligten innerhalb dieses letztlich doch gemeinsam gestalteten Gags, die Möglichkeit des bewussten Erlebens dieser Teilhaberschaft gegeben ist, und ihm damit auch die Möglichkeit des Gefühls, dabei einen Teil der besonderen Werte und Schwächen unserer Kultur, soeben in wiederum mitbeteiligter, und vielleicht auch fragenstellender Weise, selbst erlebt zu haben, offen steht. Es wäre aber für dass, was wir mit unseren Instrumenten und unserem Gesang machten, ganz abwegig gewesen etwa zu einer "Mitsinge-Veranstaltung" einzuladen. Entsprechend einer eben doch allzu gerne strapazierten Klischee-Vorstellung zu diesen neueren Gruppen, konnte man aber gerade einem solchen Bild auch immer wieder in den Medien begegnen, so dass auch unsere Gruppe dem zuweilen nicht entkommen konnte. Dazu möchte ich die ersten zwei Sätze eines ADN-Berichtes zitieren, welcher unter der dicken Überschrift "Windbeutel luden zum Mitsingen ein" damals in der "Berliner Zeitung" erschien:
"Der 'Schneewalzer', gespielt auf Dudelsack, Akkordeon und Thüringer Waldzither, passte zwar nicht zur Jahreszeit, lockte am Wochenende aber viele Besucher zum ersten Hellersdorfer Straßentheaterfest. Die Folkloregruppe 'Windbeutel' bot neben dem Walzer auch andere Tänze und lud bei Volksliedern zum Mitsingen ein".
Diese Veranstaltung ist mir aus vielen Gründen (so auch wegen dieser letztlich doch verfehlten Überschrift und der entsprechend falschen letzten sechs Worte dieses Berichtes) immer noch gut erinnerlich. Vor allem, weil es eine der vielen bemerkenswerten Gelegenheiten war, bei denen einige Zuhörer eben einfach anfingen zu tanzen, auch ohne dass da eine "Folk-Tanz" Veranstaltung angekündigt war, oder etwa Tanzmeisterinnen und Animationstänzer zum Mitmachen und zum Erlernen von Folk-Tanzschritten "verführen" mussten. Gerade so wie es in der DDR eben auch schon vor der Entstehung erster "Folk's Tanz-Animatorengruppen" allgemein 'in der Luft lag'. Und außerdem tanzten eben zu diesem Straßentheaterfest auch ältere Menschen mit, wobei es für mich wiederum besonders beeindruckend war, dass unter diesen auch einige ältere Frauen waren, die gerade im Refrain des Schneewalzers einfach mitsangen, - was mir bei jüngeren Folk-Tanz-Enthusiasten kaum begegnet ist.
Also alles ganz anders, als es inzwischen zu bestimmten damals in Berlin bereits fest institutionalisierten "Folks-Tanz-Haus"-Veranstaltungen inzwischen Usus geworden war, bei denen die Anwesenheit älterer Menschen oder etwa auch das Mitsingen während des Tanzens, schließlich ebenso ungewöhnlich gewesen wäre, wie etwa die Abwesenheit von kommandogebenden Tanzmeistern sowie 'ver- und vorführenden' Animateuren.
Ich muss dabei das von Erich Stockmann in seinem Schallplattentext gezeichnet Bild vom 'alsbaldigen begeisterten Mitsingen' und den dann `nach ziehenden Tänzern' aber nicht nur als problemverfälschendes Fortschreiben von journalistisch gepflegten Legenden-Klischees, kritisieren, sondern noch aus anderen Gründen für verfehlt und eben auch für verlogen halten. Schon zu den ersten zentralen Musikfolklore-Werkstätten in Leipzig, war, gerade im Umkreis der Folkländer, bzw. auch einiger der von Erich Stockmann aufgezählten Gruppen, das eifrige Suchen nach möglichst alten, oder zumindest entsprechend seltenen deutschen Volksliedern, geradezu 'szenetypisch'. Diese "ausgegrabenen" Lieder, die dann sehr oft in Verbindung mit jeweils angehängten, nicht unbedingt ebenso alten Tanzweisen, wie sie schließlich ohnehin schon längst im Repertoire wohl fast aller dieser Gruppen enthalten waren, erklangen, wurden dann auch wetteifernd auf diesen Folk-Werkstätten vorgestellt und diskutiert, so dass alsbald auch die Gag-Frage: "Welche Gruppe wohl diesmal mit dem 'neuesten ältesten Lied' den Vogel (oder eben den "Folkel") abschießen wird?" die Runde machen konnte. Meinem Eindruck nach spielte dabei "das Bedürfnis nach gemeinsamen
Singen mit dem Publikum" wie etwa 1988 auch von Winfried Stanislau im Begleittext zu einer ganz anderen Musikfolkloreplatte (AMIGA/ Was woll'n wir auf den Abend tun) formuliert wurde, bereits keine besondere Rolle mehr. Mit "allerneuesten ältesten" Liedern konnte das ja auch nicht nahe liegen. Ich habe schon damals in verschiedenen Diskussionen auf solchen Werkstätten immer wieder darüber gesprochen, dass nun das Publikumsbedürfnis, zu den bereits allenthalben von eigentlich allen diesen Gruppen gespielten Volkstänzen, auch tanzen zu können, doch eigentlich unübersehbar ist und sozusagen (wie ich immer wieder formuliert habe) 'in der Luft' liegt. Denn diese neue Art von scheinbar altem Volkstanz, konnte man schließlich auch immer wieder bei damaligen Musikfolkloreveranstaltungen als spontan eintretendes Geschehen erleben - wenn dafür der entsprechende Platz vorhanden war…So etwa bei Freiluftveranstaltungen bzw. entsprechender Straßenmusik solcher Gruppen, wie eben auch zu dem sehr viel späteren "ersten Straßentheaterfest in Hellersdorf"….
Mitsingen lag dabei freilich schon lange nicht mehr 'in der Luft', obwohl es doch - zumal wenn man das ungarische Vorbild vor Augen gehalten bekommt - für die weitere Entwicklung musikfolkloristischer Aktivitäten nun wieder nahe gelegen hätte.
Damit möchte ich auch darauf eingehen, worauf Erich Stockmann eben gerade nicht eingeht, obwohl er da doch ausdrücklich von einem "ähnlichen Prozess in unserem Lande" schreibt. Wenn ich dabei an die entsprechenden Erlebnisse, die ich dazu auch gerade zusammen mit Jo Meyer während einer Ungarn-Tournee der Gruppe Windbeutel hatte, denke, wo auch er zum ersten mal diese, von uns immer schon mit Bewunderung und auch als mögliches Vorbild, betrachtete Tanzhaus-Wirklichkeit erleben konnte, so muss ich sofort die entsprechenden Unterschiede unterstreichen, zu denen ich dann später auch immer wieder entsprechend diskutiert habe.
Das für mich Bemerkenswerteste war dort die Tatsache, dass auf diesen städtischen Jugendtanz-Veranstaltungen sowohl von den tanzenden Paaren als auch vom jeweils nicht tanzenden Teil des Publikums, immer wieder mitgesungen wurde. Wie uns dazu erklärt wurde, konnte es dabei auch geschehen, dass bestimmte Texte während des Mitsingens, durch spontane Zwischenrufe, die dann von den Tanzenden aufgenommen werden konnten, entsprechend verändert wurden. Außerdem war es offenbar üblich, dass zu diesen 'Tanzhaus-Mitsinge-Veranstaltungen', jeweils auch Musikfolkloregruppen eingeladen wurden, die dabei keineswegs als entsprechende Tanzmusiker, sondern eben als Interpreten ihrer Gruppenmusik verstanden wurden und deren Auftritte dann also wieder nur auf aufmerksames Zuhören ausgerichtet waren, was damals sowohl auf eine eingeladene ungarische Gruppe, als eben auch auf unseren dortigen Windbeutel-Auftritt zutraf. Andererseits wirkten auf dieser Veranstaltung weder 'Tanzmeister' noch etwa 'Animatorengruppen' mit, und auf meine Frage nach dem Erlernen traditioneller ungarischer Tänze wurde mir erklärt, dass man auch entsprechende Kurse besuchen könne, aber wer dann zu so einer Tanz-Haus-Veranstaltung gehe, komme um zu Tanzen und nicht um Tanzen zu erlernen oder etwa vorgeführt zu bekommen.
Die dann von Erich Stockmann als "ähnlicher Prozess in unserem Lande" bezeichnete Folk`s-Tanz-Haus-Entwicklung ist nun gerade wieder im Vergleich mit der ungarischen Vorläuferentwicklung, nicht nur in Hinsicht auf die hier in Frage stehende Problematik eines möglicherweise "gemeinsamen Singens mit dem Publikum" oder etwa "begeisterten Mitsingens der Zuhörerschaft" (wohlgemerkt - jeweils durchaus unterschiedliche Sachverhalte, die sich wiederum deutlich von den bereits geschilderten Formen von Mitsingen unterscheiden können), sondern auch in manch anderen Aspekten, ganz anders verlaufen. Vieles von dem, was da zu dieser neueren Musikfolklorebewegung in seinem Text steht, ist gemessen an der damaligen Wirklichkeit einfach nicht ernst zu nehmen, aber wohl doch darauf angelegt entsprechende Ähnlichkeiten, bzw. ein ganz besonderes 'folklorespezifisches' Miteinander von Musikanten und Tänzern zu betonen, wobei mir dann freilich unklar bleiben muss, wie es bei diesem, von Erich Stockmann als "neue Qualität" gelobten Volkstanzgeschehen zu verstehen sein soll, wenn er dazu behauptet, dass dabei jeweils auch "wechselnde Harmonik und vielfältige melodische Gestaltung…von den Tänzern aufgegriffen werden können."
Im Falle eines Mitsingens während des Tanzens, wäre die Möglichkeit eines solchen 'Aufgreifens von Harmonik und melodischer Gestaltung' noch vorstellbar, und mir ist insofern auch gut vorstellbar, dass sich derartige musikethnologische Formulierungen, etwa in entsprechenden Texten zum Volkstanzgeschehen in Ungarn finden lassen. Bezogen auf die damaligen Volkstanzwirklichkeiten in der DDR, erscheinen sie mir aber wieder als entsprechend ungerechtfertigte Übertragungen…
Andererseits müssen mir in diesem Text von Stockmann auch wieder Formulierungen auffallen, mit denen zweifellos auch seine eingehendere Kennerschaft zu dem besonderen 'Szene-Umkreis' der von ihm hier favorisierten Gruppen belegt wird. So etwa was seine detaillierte Anmerkung zum Namen der Gruppe "Jams" betrifft,(12) oder auch die aufschlussreiche Nebenbemerkung, dass es sich da eben auch um eine Musik zur 'Freude von Freunden' handelt…Aber gerade diese, zweifellos korrekten Details werden bei ihm eben auch wieder mit einer spezifischen Legendenbild-Gestaltung verbunden, wenn er dann zu Folkländers Bierfiedler und Jams betont: "Auch sie wollten die Volksmusik von der Bühne wieder herunterholen und mit ihr selbst umgehen wie mit etwas Alltäglichem, Vertrautem, zur eigenen Freude und der von Freunden.".(13)
Wieder eine mit bemerkenswerten Übertragungen angefüllte Formulierung, die freilich als gängiges Legendenbild zu dem was sich so zu den neueren Musikfolkloregruppen alles Lobenswerte sagen lässt, wunderbar zu passen scheint, aber letztlich doch nicht mehr viel mit Wahrheit und Wirklichkeit zu tun hat. Gerade was die Aktivitäten der genannten Gruppen betrifft, so bewegten sich diese damals doch bereits wieder in einer eher entgegen gesetzten Richtung als zuvorige Jugend- Musikfolkloregruppen. Aber Stockmann hatte seinen Text ja bereits mit einem beeindruckend einleuchtend erscheinenden Wissenschaftsstatement zu einem 'wieder auf den Tanzboden zurückgekehrten Volkstanz' begonnen.
Abgesehen, davon, dass ich ein solches Bild ohnehin nicht für besonders zutreffend halten möchte, denn die dem Mitmachen ferne Bühne des Volkstanzes kann schließlich ebenso auch zu ebener Erde auf dem Tanzboden (so etwa auch mit Hilfe von Animationstänzern, Tanzmeistern oder etwa auch in bestimmten Wettbewerbsformen oder "Tanzmeisterschaften" usw.) errichtet werden, wie auch der zum Mitmachen einladende Tanzboden auf einer Bühne installiert werden kann, welcher dann auch einem wiederum betrachtungswilligen Publikum, sowohl in hinauf- als auch in herabschauender Weise, zur Betrachtung frei stehen kann, und ich dabei, was die Geschichte solcher Wechselseitigkeiten betrifft, weniger von "zwei historischen Momenten" sondern eher von einer bereits längere Zeit bestehenden Tendenz zu oszillatorischen Entwicklungen, also eher von einem spannungsgeladenem 'Hin- und Her', sprechen würde, welches sich doch gerade auch im Zusammenhang mit der auf dieser LP kommentierten Bewegung, abzeichnen konnte.
Sobald man jedoch die Übertragung der Suggestivkraft des einleitend gezeichneten Bildes vom "zurückgekehrten Volkstanz" auch in gleicher Weise (so wie es Erich Stockmann ja hier tut - man muss seinen entsprechenden Text da nur genauer anschauen) für Volksmusik gelten lassen möchte (obwohl doch das von ihm zitierte Bild eigentlich nur speziell für Volkstanz formuliert wurde) wird sich auch seine Aussage wieder gut innerhalb bestimmter Folklore-Revival-Vorstellungen und entsprechender Legendenbilder aufnehmen lassen.
Sie ist aber in Bezug auf die Wirklichkeit keineswegs zutreffend.
Denn, wenn man statt des so oft gebrauchten und symbolisch überhöhten Bildes einer "Bühne" oder eines "Bühnenfolkloregeschehens", eher das vielleicht in anderer Hinsicht treffendere Bild eines Podiums oder gar eines Podestes, nehmen möchte, so liegt auf der Hand, dass gerade die Musikgruppen die im hier idealisierenden Text von Erich Stockmann auf das ehrenwerte Podest einer 'neuen Qualität von Volkstanzmusik' gehoben wurden, in der entsprechenden Realität unvermeidlicher Weise auf die mit Mikrophonen bestückten Podien (oder eben auch Bühnen) von Folkstanz-Haus-Veranstaltungen steigen mussten, um das keineswegs alltägliche Geschehen auf dem Tanzboden, entsprechend beherrschen und gestalten zu können. Für entsprechend engagierte Folk-Tanz-Haus-Musikanten ein geradezu unvermeidlicher und dann eben auch beabsichtigter Schritt in Richtung auf die Bretter 'die dann auch das Geld bedeuten konnten', bzw. auf die Bühnen des dort zu gestaltenden Volkstanzgeschehens. Und was dabei die Besonderheiten dieser von Erich Stockmann hervorgehobenen "neuen Qualität von Volkstanzmusik" betrifft, so gehört dazu dann auch die Tatsache, dass es sich hier eben auch (wie er ja selbst schreibt) um Musik "für Freunde" handelt. Und diese besondere Art von 'Freundeskreis-Musik' richtete sich nun auch an ein Publikum mit weiteren Besonderheiten, oder eben auch 'von einer ganz neuen Qualität'.
Während sich die Aktivitäten aller zuvorigen jugendlichen Musikfolkloregruppen eigentlich prinzipiell an alle Interessenten für Volks- oder auch Folk-Musik, einschließlich Volkstanzmusik richteten, konnten sich die nunmehrigen Folk-Tanz-Musiker auf ein weit spezielleres, aber eben auch viel sichereres Publikum aus jugendlichen Folk-Tanz-Interessenten einrichten. Ein zwar zahlenmäßig weitaus geringeres, aber dafür wiederum freundeskreis-treues und eben auch spezifisch mitmachwilliges und mit hoher Wahrscheinlichkeit in hoher Frequenz wieder erscheinendes Publikum. Unter den konkreten Verhältnissen in der DDR, hatte sich damit innerhalb einer bestimmten "Folk-Family-Szene"(14) nun auch eine wiederum speziellere "Folk-Tanz-Family-Szene", mit wiederum eigener Mentalität und entsprechender Ideologie herausgebildet, welche sich dann oft auch jeweils demonstrativ skeptisch und ablehnend gegenüber sonstigem, eher spontan entstehenden Folktanz-Mitmachen verhielt, welches ja nun auch als entsprechend "unqualifiziert", da eben nicht entsprechend "fachlich-professionell animiert und angeleitet", abgetan werden konnte. So konnte sich auch von daher für manche Folk-Tanz-Musikanten eine sichere Konzeption für entsprechend mit Animationstänzern ausgestattete regelmäßige Folk-Tanz-Events an jeweils gleichen Veranstaltungsorten mit einem sich dort entsprechend szeneorientiert zusammenfindenden Tanzpublikum ergeben. Eine insofern auch ganz spezifische und gut funktionierende Folk-Business-Initiative, welche zudem die Möglichkeit eröffnete, künftige Veranstaltungen auch mit vergleichsweise weitaus geringerem musikantischen Vorbereitungsaufwand zu gestalten, als dies bislang für sonstige Auftritte und Programmgestaltungen von Musikfolkloregruppen erforderlich war, - auch wenn dann das eigentliche Aufspielen während des Tanzes wiederum anstrengender geraten konnte. Aber als Folk-Tanz-Musiker konnte man da auch über längere Zeiträume hin, mit einer relativ geringen Anzahl von Tanzstücken auskommen, die jeweils auch weitaus längere Strophenwiederholungen vertragen konnten, als dies etwa bei sonstigen Konzert-Veranstaltungen von Musikfolkloregruppen möglich gewesen wäre.
Alles in allem eine neue und durchaus gut funktionierende Folk-Geschäfts-Idee.
Es gibt noch eine besondere Problemkonstellation in diesem Text von Erich Stockmann, zu der ich seine Betrachtungsweise ebenfalls in verschiedener Hinsicht für empörend halten muss und mich also auch damit entsprechend auseinandersetzen möchte.
Dazu beziehe ich mich insbesondere auf die folgenden zwei Sätze von ihm:
"Für die Ensemblebildung, das Zusammenspiel und die Spielpraxis der einzelnen Instrumente konnten die Musikanten sich nicht wie die Ungarn an eigenen deutschen Traditionen orientieren. Sie sahen sich daher auf internationalen Festivals um, hörten Schallplatten und lernten von irischen und schottischen Gruppen, von böhmischen und belgischen Dudelsackspielern, von schwedischen Geigern und französischen Drehleierspezialisten."
Den ersten Satz möchte ich in seinem Kern als eine an der Wahrheit vorbeiführende oder eben überaus redundante Aussage kennzeichnen, welche selbst wiederum mit einer vermerkenswerten Undeutlichkeit belastet ist, zu der ich mich ebenfalls noch äußern möchte.
Zunächst wäre aber doch nach der möglichen Sinnhaftigkeit dieses Satzes zu fragen.
Selbstverständlich war es für diese Musikanten möglich, sich auch in Richtung auf die hier aufgezählten Aspekte wie Ensemblebildung, Zusammenspiel und instrumentelle Spielpraxis, an entsprechenden deutschen Traditionen zu orientieren, und eine genauere musikethnologische Analyse wäre sicher auch in der Lage aufzuzeigen, wie weit dies in der Realität dieser damaligen Entwicklung in der DDR sowohl de facto stattgefunden hat, als auch noch weitergreifend hätte möglich sein können. Aber gerade dies entsprach doch eben nicht (in durchaus deutlicher Unterschiedenheit etwa zu den in definitiv anderer Weise national-orientierten Ambitionen ungarischer Tanzhaus-Aktivisten) den Vorstellungen und naheliegenderen Interessen dieser ostdeutschen Musikfolkloreaktivisten, welche selbstverständlicherweise bereits mit einer Vielfalt von auch ganz anderen musikantischen Vorstellungen und Anregungen aufgewachsen waren. Anregungen die sie längst verinnerlicht hatten, und die sie nun gerade für Ihre Art der Wiederbeschäftigung auch mit deutscher Musikfolklore, effektiv einbringen konnten und eben gerade auch damit (also eben "in neuem Gewande", wie Erich Stockmann zuvor noch selbst formuliert hatte) erfolgreich waren. Dass dann viele von ihnen dabei etwa auch die gleiche Meinung verinnerlicht hatten, die uns hier wieder von der deutschen Musikethnologie in Form dieses Stockmann-Textes nahe gelegt wird, ist freilich nicht deren Schuld, sondern eher Verschulden entsprechender deutscher Musikwissenschaft und sonstiger, eben auch von daher unterstützter, wiederum durchaus typisch deutscher Vorurteile gegenüber unseren eigenen volksmusikantischen Reichtümern. Aber eine Seite dieser spezifisch deutschen Reichtümlichkeit, ist eben gerade auch wieder in dieser ostdeutschen Neo-Musikfolklorebewegung zum Tragen gekommen. Ich meine die Offenheit die manche deutsche Volksmusikanten doch in mitten Europas, für die verschiedensten Einflüsse seitens anderer europäischer Nationen, - und seit vielen Jahrzehnten eben auch von Einflüssen über diesen Kontinent hinaus - praktiziert haben. So selbstbegrenzend und vereinseitigend sich diese Aufnahmefähigkeit auch zuweilen jeweils, - schließlich immer in Abhängigkeit von sich verändernden sozialökonomisch-kulturellen Verhältnissen, - gestaltet haben mag, sie ist doch letztlich unübersehbar und vielleicht doch auch in genuiner Weise 'deutsch'.
Und gerade auch innerhalb der durch die DDR-Realitäten bedingten kulturellen Selbstbegrenzungen, hat es in wiederum DDR-spezifischer Weise diese - da nun eben spezifisch ostdeutsche - Erscheinungsform von deutscher Aufnahmefähigkeit gegenüber internationalen musikalischen Einflüssen bei bestimmten deutschen Volksmusikanten gegeben.
Und so betrachtet, zeigen sich hier wieder deutliche Verzerrungen der Wirklichkeit, wenn uns in diesem Stockmann-Satz quasi eine irreale deutsche Musikanten-Kalamität suggeriert wird, zu deren Überwindung dann im zweiten Satz, mittels einer noch drastischeren Wirklichkeitsverzerrung, unterstellt wird, dass sich diese Musikanten also deswegen (daher?) auf Festivals und Schallplatten umhörten, um etwas zu finden, nachzuholen und zu lernen, was zwar die Ungarn, aber eben keinesfalls die Deutschen hätten…(?!?) Und die dann nachfolgende Aufzählung von entsprechenden europäischen 'Lern-Vorbildern', scheint mir dann auch wieder eine Zusammenstellung entsprechend Stockmannscher Hörensagen-Beliebigkeiten zu sein und kann wohl kaum als Ergebnis gewissenhafter musikethnologischer Einfluss-Analysen verstanden werden. Da müsste ich zumindest von meinen Erfahrungen her, doch wieder ganz andere Akzente setzen.
Was nun den von Erich Stockmann im hier zitierten ersten Satz dargestellten Vergleich von ostdeutschen und ungarischen Tanzhaus-Musikanten betrifft, so möchte ich - wie bereits gesagt - auf eine dort formulierte Undeutlichkeit zurückkommen, um mich gerade dazu wiederum möglichst deutlich äußern zu können.
Ich denke, dass dieser Schallplattentext wohl kaum kritisch redigiert wurde, dass sich aber auch Erich Stockmann, falls dies doch eingetreten wäre, wohl kaum gegen den Vorschlag hätte sträuben können, in diesem Satz das Wörtchen "deutschen" doch besser durch das Wörtchen "nationalen" zu ersetzen. Denn in einem solchen Sinne sollte dieser Satz innerhalb seines Gesamttextes, doch wohl zu verstehen sein.
Wenn ich mich nun aber (etwa unter Berufung auf die entsprechend legitimen Interpretationsmöglichkeiten innerhalb deutschen Grammatikverständnisses) dumm stellen wollte, so ergäbe sich sofort die Möglichkeit dazu auch eine keinesfalls einfach nur dumme Frage zu stellen: Könnte man nicht vielleicht doch auch tatsächlich von 'eigenen deutschen Traditionen der Ungarn' sprechen? Vergleichsweise etwa so, wie doch auch DDR-Bürger von 'eigenen sorbischen Traditionen' hätten sprechen können, ohne selbst Sorben sein zu müssen. Ich weis natürlich, dass ein derartiges Kulturbewusstsein noch keineswegs entwickelt ist. Aber warum sollten deutsche Staatsbürger in Zukunft nicht etwa auch von 'eigenen landesspezifischen türkischen Traditionen' mit Respekt und Achtung sprechen können, ohne selbst Türken sein zu müssen? Ich würde dies eben auch für einen möglichen Ausdruck eines antinationalistischen Bewusstseins, auf der Basis einer gerade besonderen Achtung vor den spezifischen Werten der jeweils nationalen Traditionen innerhalb des eigenen Landes halten wollen, - von dem unser gegenwärtiges Denken freilich noch weit entfernt ist.
Was nun "ungarische deutsche Traditionen" (womit ja keineswegs das gleiche wie etwa zu "ungarisch-deutschen Traditionen" gemeint sein kann) betrifft, so sind mir persönlich, da ich die VR Ungarn nicht nur während der erwähnten Tournee mit der Gruppe Windbeutel, sondern auch mit anderen Musikantenformationen und auch ansonsten oft mit dem Fahrrad bereisen konnte, auch eine Reihe von musikantischen Begegnungen mit Ungarn-Deutschen in Erinnerung, und mein stärkster Eindruck war damals, dass die deutsche Minderheit in Ungarn offenbar ganz anders und auch weitaus besser eingelebt und dann auch akzeptiert und integriert ist, als etwa die Deutschen in Rumänien, und - so mein damaliger persönlicher Eindruck - gerade im damaligen Ungarn, auch ihre nationalen Traditionen in offiziell geförderter Weise pflegen konnten. Für mich lag also nahe, dann zu den Windbeutel-Tanzhausbesuchen und in den damals von ungarischer Seite organisierten Gesprächen mit entsprechenden Fachleuten und Folklorespezialisten, auch die Frage zu stellen, inwieweit bei den dortigen Tanzhaus-Veranstaltungen, vielleicht auch an Volkstänze anderer Nationen in Ungarn insbesondere auch hinsichtlich des Mitwirkens von ungarischen Zigeuner-Musikanten, und desweiteren dann auch an ausländische Volkstänze usw., gedacht ist, - wodurch die solcherart angestoßenen Diskussionen freilich alsbald immer schwieriger wurden... Es wurde für mich in allen weiteren Diskussionen dazu, immer wieder deutlich, dass gerade für das Verständnis dortiger Tanzhausaktivitäten, offenbar auch besondere Formen von spezifisch ungarischem Nationalismus eine Rolle spielen und entsprechend mit zu bedenken sind. Und was mein Wissen zur Geschichte betrifft, so konnte ich dann auch nicht von den spezifischen Besonderheiten des ungarischen Nationalismus innerhalb der Geschichte Europas, sowie dessen grundlegender Rolle bei der Entstehung des europäischen Faschismus, absehen. Wenn ich mir dazu nun nicht nur spezielle damalige musikfolkloristische Tendenzen, sondern auch grundsätzliche kulturell-politische Entwicklungen der nunmehrigen ungarischen Gegenwart vor Augen halte, so kann ich das noch weniger.
Was die damaligen Folklore-Diskussionen mit ungarischen Spezialisten betrifft, so hätte ich von daher freilich auch nicht sagen können, ob nationalistisches Denken etwa lediglich als eine vielleicht kaum zu vermeidende Begleiterscheinung, oder eher als eine ideologische Grundlage damaliger ungarischer Musikfolklore- und Tanzhaus-Entwicklungen einzuschätzen wäre, wozu ich allerdings meine, dass eine wissenschaftlich verantwortungsvoll betriebene Musikethnologie, zu entsprechenden Einschätzungen doch aber in der Lage sein müsste.
Aber gerade in Anbetracht auch dieser Erfahrungen, musste mir dann dieser Schallplattentext von Erich Stockmann nicht nur hinsichtlich dortiger offensichtlicher Wahrheitswidrigkeiten und der Menge an eigentlich inhaltsleeren und einfach nicht zutreffenden Formulierungen, als kritikwürdig erscheinen, sondern eben auch in Hinsicht auf das, was Erich Stockmann dabei als "neue Qualität in der Volkstanzmusik" charakterisieren wollte.
Ich würde in Hinsicht auf diese, damals in der DDR neu entstandenen Folk-Tanz-Initiativen, als eine der bemerkenswerten Seiten ihrer 'neuen Qualität' eben auch hervorheben wollen, dass hierzulande (durchaus in deutlichem Unterschied zur Entwicklung etwa in Ungarn) im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Revitalisierung spezifisch deutscher Volkstänze, eben auch unverkennbar internationale Einflüsse eine wiederum neue Rolle gespielt haben.
Keineswegs etwa als Verlegenheitslösung, weil die deutschen Musikanten eben 'nicht so konnten wie die Ungarn', sondern weil auch damit etwas letztlich eben auch qualitativ neues Ostdeutsches entstanden ist.
Dazu muss ich allerdings anmerken, dass dies auf dieser speziellen "Stockmann-LP", keineswegs so deutlich zum Ausdruck kommt, wie ich es ansonsten aus der Realität damaliger Folk-Tanz-Entwicklungen in der DDR in Erinnerung habe.
Ich würde mir wünschen, dass sich künftige Musikethnologie zu entsprechenden musikfolkloristischen Bewegungen und Entwicklungen in Deutschland, niemals wieder in einer derartig autoritätsbeliebig eingreifenden und dann entsprechend verantwortungslos zurechtlügenden Weise verhalten wird, und meine dazu, dass sie sich dabei gerade auch in Hinsicht auf ihre jeweiligen Möglichkeiten spezifisch aktiven Mitgestaltens bei derartigen Entwicklungen, auch selbst im Sinne einer verantwortungsbewussteren und also auch stets entsprechend wissenschaftlich-erkenntnisorientierten Wissenschaftsdisziplin, entwickeln möge.
In Hinsicht auf das Wirken von Erich Stockmann und seines entsprechenden Umfeldes, war dies in der DDR leider nicht der Fall.

*
Anmerkungen/Quellen:
(01)
Siehe dazu auch meinen Beitrag: "Allgemeine 'Hintergrund-Anmerkungen' zu den Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt", in: www.bhje.de
(02)
Als ich auch zu anderen Bekannten, denen wiederum Erich Stockmann bekannt war, darüber sprach, wurde ich mehrfach mit der Meinung konfrontiert, dass diese Forschungsergebnisse aus fernen Ländern aber doch wohl sicherlich auch auf von ihm dort durchgeführten Forschungen beruhten und insofern die begleitenden Texte doch wohl auch von ihm verfasst worden seien… Dies entsprach eben genau der Aura welche sich in der DDR um diese Musikethnologen-Forscherpersönlichkeit von Weltbedeutung rankte. Es entsprach aber im von mir hier zitierten Falle nicht den Angaben zu dieser CD. Und es wurde auch in der entsprechenden Rundfunksendung keineswegs so dargestellt.
Falls es sich jedoch entsprechend solcher Vermutungen und Vorstellungen verhalten hätte, so wäre dies dort unweigerlich deutlich von ihm hervorgehoben worden.
Wie sich Erich Stockmann wiederum verhielt, wenn es galt in der DDR im Sinne einer solchen ihn umgebenden "Aura" zu wirken, ist mir besonders eindrücklich von einem Vortrag zu den ihn (ich denke etwa 1987) die Drehleierinteressenten der DDR damals zu ihrem Treffen eingeladen hatten und zu welchem damals - durchaus zu Recht - gerade auch Jo Meyer im Mittelpunkt stand. Dazu hatte im Auftrage von Erich Stockmann seine Begleiterin Hanni Bode eine Aufreihung von DIA-Aufnahmen zu Drehleiern aus aller Welt vorzuführen, welche der neben ihr sitzende Professor dann jeweils kommentierte, und dabei auch stets zu lustigen Bemerkungen aufgelegt war, wenn es mal wieder bei Hanni Bode nicht so richtig mit der ihr nun anvertrauten Vorführtechnik klappen wollte. Ein von ihm spezifisch gepflegtes Subalternierungs Verfahren, welches ich bei seinen Vorträgen allerdings bereits mehrfach erlebt hatte, und dem auch ich, zu einer Zeit als ich noch freundlich geneigt war einer solchen von ihm geäußerten Bitte um "Vortragsunterstützung" ebenfalls nach zu kommen, dann unweigerlich ausgeliefert war und damals in ähnlicher Weise mit seinen Kommentaren
(wie etwa: "Ja, das ist ein Lernvorgang, der eben unterschiedlich schnell erfasst wird… usw.) konfrontiert wurde. Zu diesem Drehleiervortrag muss ich jetzt jedoch vor allem anmerken, dass mir zum damaligen Zeitpunkt bereits drei verschiedene Drehleiertypen von professionellen Musikinstrumentenbauern aus der DDR, begegnet waren, welche mir aber in diesem Stockmann-Vortrag dann nicht begegneten. Und ich glaube nicht, dass dies etwa am von ihm so souverän bespöttelten 'Vorführungsversagen' von Hanni Bode gelegen haben könnte.
Für mich war eher offensichtlich, dass sich da wieder einmal eine Wissenschaftskoryphäe präsentierte, der es stets ein Leichtes war, mit den ihm aus aller Welt zugetragenen wissenschaftlichen Renommee-Unterlagen aufzutreten, sich aber der Mühe etwa auch Entsprechendes aus dem kleinen Land DDR zusammen zu tragen (oder etwa auch durch seine weltweiten Wissenschaftserfahrungen geleitet, zusammen tragen zu lassen) wohl kaum noch unterzog. Da sprach wieder einmal ein weltmännischer Bescheidwisser, der zu den musikinstrumentellen Konkretheiten des Landes in welchem er als weltbedeutender Musikinstrumentenkenner galt, einfach nicht Bescheid wusste und dies offenbar auch schon lange nicht mehr nötig hatte, - es dabei aber offenbar doch für nötig hielt, weiterhin gründlich auf die Pflege seines Ansehens als bedeutender Wissenschaftler zu achten. Dies geschah nun zu diesem Drehleiervortrag auf eine für mich besonders beeindruckende Weise: Vor vielen Jahren hatte er mir bereits von seinem "guten schwedischen Freund" Jan Ling erzählt und mir dessen Dissertations-Publikation zur schwedischen Nyckelharpa vorgelegt. Ein Buch welches ich mir dann später auch besorgen konnte. Wohl wissend in welcher Partei ich organisiert war, bemerkte er dabei, dass sein schwedischer Freund "auch Mitglied der schwedischen kommunistischen Partei" sei, konnte (oder wollte?) dann aber meine Frage:‚'In welcher denn?', nicht mehr beantworten, ob wohl auch ihm bekannt sein konnte, dass es damals, ähnlich wie in vielen anderen Ländern, so eben auch in Schweden, eine neu entstandene 'maoistisch-kommunistische' Partei gab. Jan Ling, der mir dann erst viel später begegnete, konnte ich diese Frage dann allerdings auch nicht mehr stellen (Siehe dazu auch meinen Beitrag: "Über bestimmte Eigentümlichkeiten im Umgang mit der deutschen Cister…", in: www.bhje.de, insbesondere die dortigen Anmerkungen Nr. 14 und 94)
Zu Ende dieses Drehleiervortrages geschah dann Folgendes. Erich Stockmann hob die Nykelharpa-Publikation von Jan Ling hoch und erklärte dazu den anwesenden Drehleierinteressenten: "Schauen Sie, - vor zwanzig Jahren haben wir dieses Buch zu einem damals fast ausgestorbenen schwedischem Instrument geschrieben und heute gibt es davon in Schweden wieder zehntausende!".
Ich sehe nun keinen Grund meine damalige Haltung, welche wohl bereits durch eine Vielzahl anderer derartiger Erlebnisse mit ihm geprägt war, zu verschweigen: Im Moment dieses "Buch-Hochhaltens" (an den ich mich wohl auch von meinem dann dazu wiederum entstandenen schlechten Gewissen her, so gut erinnern kann) ging mir - auf eine wohl durchaus gehässig deformierte Art und Weise - durch den Kopf, dass dieser offenbar trickreich showbewusste Kerl, hier das Wort 'Wir' doch genau mit der einem Showmaster gut anstehenden Suggestivkraft gebraucht. Da fehlt nur noch, dass er das in dieser Weise präsentierte Buch, zur nächsten Vorstellung dann auch noch entsprechend bühnengerecht perfektioniert von seiner stets mitgebrachten Vortrags-Assistentin hochhalten lässt…
Sachlicher betrachtet, wäre zu diesem freilich durchaus typischen Stockmann-Vortrag wohl eher anzumerken, in welcher Weise es dabei an integer gelebte Wissenschaftlichkeit mangelte.
Meine, im Kreise von Drehleierinteressenten dann dazu später geäußerten Bemerkungen darüber, dass Erich Stockmann an diesem von ihm hochgehobenem Buch von Jan Ling, aber doch gar nicht mitgewirkt hat, wurden dann aber sowohl als unglaubwürdig (denn "er hat das doch aber ausdrücklich gesagt…") sowie auch als unangebracht und unsachlich (denn "das hat er doch so auch gar nicht behauptet…") empfunden und abgetan, wobei mir dazu natürlich auch vorgehalten werden konnte, dass ich diesen, doch durchaus beliebten und allseits hoch geachteten Wissenschaftler, offenbar einfach "nicht leiden kann". Und das traf ja auch tatsächlich zu…
Was nun aber wieder seine von mir hier bedachten Rundfunksendungen anbelangt, so denke ich eben, dass es wohl auch zutreffend ist, wenn ich dazu anmerke, dass er im Falle seines tatsächlichen Mitwirkens an den von ihm vorgestellten musikethnologischen Forschungen, wohl kaum darauf verzichtet hätte, dies dabei auch eingehender zu verdeutlichen und entsprechend eindrucksvoll-medienwirksam hervor bzw. 'hoch' zu heben.
(03)
Siehe dazu auch: "Vortrag zur Eröffnung der Musikinstrumentenausstellung an der Hochschule für Musik Saar"; in: www.bhje.de (beispielsweise auch die dortige Anmerkung Nr.28)
(04)
Siehe dazu: "Über bestimmte Eigentümlichkeiten im Umgang mit der deutschen Cister innerhalb des DDR-geprägten Spannungsfeldes von staatlich-administrativen, musikantisch-praktischen und akademisch-wissenschaftlerischen Bestrebungen"; in: www.bhje.de (insbesondere auch die dortige Anmerkung Nr.41)
(05)
Siehe dazu wiederum Anmerkung Nr.1 sowie die entsprechenden Ausführungen im dort zitierten Beitrag.
(06)
Siehe ebenda
(07)
Siehe dazu ebenfalls meinen unter Anmerkung Nr.1 zitierten Beitrag nebst dem dazugehörigen Anhang, in: www.bhje.de
(08)
Man könnte dies vielleicht auch wieder vergleichend zur späteren Waldzither-Situation betrachten: Ebenfalls ein gewissermaßen seltenes Instrument, welches durchaus 'zu kaufen war' - aber später eben keineswegs mehr häufig angeboten wurde…Aber der Wunsch nach diesem, eben auch kaum so auffälligen und seltenen Instrument, war im Vergleich zur Drehleier wiederum viel ausgeprägter, zumal dessen Preis eben auch viel geringer war…
(09)
Um mich in dieser 'Drehleierfrage' auch in Richtung auf die Bierfiedler zuverlässiger zu informieren, befragte ich dazu auch Wolfgang Leyn, welcher sich aber schwer tat mir zu diesem 'Langhammer-Instrument' dann auch Genaueres mitzuteilen. Dazu möchte ich hier aus meinem, auch diese Frage betreffenden Brief (vom 29.5.12.) an ihn (auf welchen ich auch in meinen Darlegungen "Über bestimmte Eigentümlichkeiten im Umgang mit der deutschen Cister …." Bezug genommen habe) zitieren:
''Außerdem halte ich Deine Behauptung über den besonderen Aufwand zu angeblichen 'Drehleier-Recherchen' für weit übertrieben und letztlich unglaubwürdig, denn ich denke, dass Jürgen doch wohl über Eriks Drehleiererwerbung bei Langhammer informiert war und nun wohl auch sagen kann, ob dieses Instrument dann zu den Bierfiedlern gelangte. Oder haben etwa auch die Bierfiedler dann (was ich bislang als weniger wahrscheinlich annehmen wollte) ein weiteres Instrument bei Langhammer bestellt und gekauft? Das hieße dann auch, dass letztlich mehrere Drehleiern aus dieser Werkstatt an Folk-Gruppen in der DDR verkauft wurden. Mich interessiert dies im Zusammenhang mit dem überaus verlogen-unfachlichen Schallplattentext von Erich Stockmann, was Du Dir ja vielleicht schon auf Grund meiner dazu ja bereits zu DDR-Zeiten stets deutlich geäußerten Kritik, nun auch denken kannst. Und da ich in derartigen Fragen von erforderlicher Kritik auch immer auf Offenheit aus bin, kann ich Dir auch hier genauer sagen worum es mir bei diesem "Folk-Info-Detail" geht: Wenn es sich bei dem Bierfiedler-Instrument bereits um eine entsprechend 'zweite Folk-Langhammer-Drehleier' handelte, so muss die faktische Unwahrheit diesbezüglicher Stockmannscher Plattentextbehauptungen gerade auch in diesem Zusammenhang um so deutlicher unterstrichen werden, wohingegen im ersteren Falle (also einer damals von Erik bei Langhammer erworbenen und dann von den Bierfiedlern übernommenen Drehleier) eher ein symbolischer Zusammenhang von entsprechend analogen "Folk-Drehleierschurkereien" und diesbezüglichen "Folk-Wissenschaftlerschurkereien" festgehalten werden kann. Der Unterschied bezöge sich dabei jedoch lediglich auf verschiedene Formen von Offensichtlichkeit: Einerseits eine offensichtlich verlogene Schurkerei innerhalb einer bestimmten "Folk-Szene", wie andererseits eine offensichtlich schurkenhafte Verlogenheit innerhalb einer bestimmten "Wissenschaftler-Szene".''
''Ich werde angesichts all dieser "ohnehin-Offensichtlichkeiten" nun natürlich nicht darauf drängen wollen, dass Du etwa Deine Folk-Rechercheaktivitäten wegen solcher Details - die mir zwar als wissenswert, aber letztlich doch nicht als übermäßig erheblich erscheinen können - fehlorientierst und falsch proportionierst… ''
(10)
Siehe dazu auch meine entsprechende Polemik in dem unter Nr.2 zitierten Vortrag
(11)
Man kann hier wieder die Auffassung vertreten, dass derartige Formulierungen aber doch als eher nachsichtig zu bedenkende Ansichtssache aufgenommen werden sollten.
Allerdings wird im Kontext dieser Stockmannschen 'Charm-Formulierungen' auch übergangen, dass es allein in Berlin (und vielleicht ebenso in anderen Gegenden der DDR?) schon vor der Entstehung von Jams (und dann in Berlin auch danach), auch ganz andersartige Folk-Tanz Initiativen und Aktivitäten gegeben hat. Und auch in anderer Hinsicht stehen meine 'Ansichten' zu diesen damaligen Folk-Tanz-Enwicklungen, insbesondere wenn ich mich dazu an meine diesbezüglichen Erlebnisse von damaligen Leipziger Folk-Werkstätten erinnere, allzu sehr im Widerspruch zu dieser Hervorhebung von 'weiblichem Tanzmeisterinnen Charme'. Da herrschte zunächst ein unverkennbar kasernenhofartiger Kommandoton lautstarker männlicher "Folk-Tanzmeister" vor, so dass mir dazu auch einmal Jo Meyer (der damals noch als Windbeutel-Mitglied an dieser Folk-Werkstatt teilnahm und mit mir zusammen das Geschehen betrachtete) zustimmte, als ich ihn fragte ob er da nicht auch an seine Zeit bei der NVA erinnert sei. Freilich ebenfalls alles wieder Ansichtssache, - wie ebenso auch mein Unbehagen, als ich dann zu einem späteren Leipziger Folk-Treffen regelrechte Fahnenaufmärsche des Leipziger Folk-Klubs miterleben konnte.
Um meiner hier in Worten geschilderten 'Ansicht' auch eine meiner Meinung nach durchaus aussagekräftige bildliche Ansicht zum dann auch technisch lautverstärkten 'Charme' entsprechend agiler Tanzmeisterei zur Seite zu stellen, kann ich dazu nun auch auf ein Foto aus dem Programmheft zum Rudolstädter TFF 2006, Seite 67, verweisen.
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Seine akribische Erläuterung zur Gruppenbezeichnung 'Jams', zu welcher er eigens anmerkt, dass "der Name …sich aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen der Gründungsmitglieder zusammen" setzt, scheint mir dabei in doppelter Hinsicht bemerkenswert.
Schließlich kann auf diese Weise seine offenbar bis ins kleinste Detail reichende Kennerschaft, zu dem von ihm hier vorgestellten musikethnologischen Forschungsgegenstand, eindrucksvoll demonstriert werden. Bemerkenswert ist aber auch, dass er dabei sogar auf ein ansonsten auch zu diesem Gruppennamen kultiviertes 'Musikfolkloregruppen-Image-Klischee' verzichtet: Nämlich das von manchen Folk-Gruppen, aber vor allem auch in den DDR-Medien, immer wieder gerne hervorgehobene, 'sozial-orientierte Engagement' solcher Gruppen, bei der Beschäftigung mit deutschen Volksmusiktraditionen.
So wurde etwa auch der Gruppenname Wacholder in den Medien gerne damit erklärt, dass es sich bei dem mit Hilfe dieser Fruchtbeeren hergestelltem Schnaps, um ein traditionelles Lieblingsgetränk wandernder Handwerksburschen handele, und Jo Meyer erklärte zum Gruppennamen Jams gerne, dass es sich dabei um eine traditionelle norddeutsche Bezeichnung, für ein aus verschiedenen Früchten zusammengekochtes "Armeleuteessen" handele. Freilich eine damals eher für Folk-Konzertveranstaltungen, als etwa dann für Folk-Tanzveranstaltungen geeignete Gruppenansage.
Wenn man - was damals immer wieder betont wurde - davon ausgeht, dass das Zustandekommen dieser LP auch als ein besonderer "Verdienst" von Erich Stockmann anzusehen sei (was ich nicht zu bezweifeln habe) so zeigte sich dabei wiederum ein besonderer Zusammenhang.
Seine bevorzugte Zusammenarbeit mit besonders etablierten Neo-Folk-Gruppen, wie etwa Folkländer, Kantholz, Wacholder, Heureka und später dann eben auch mit Jams (wogegen freilich auch nichts einzuwenden sein muss) war dabei in Bezug auf sein bereits zuvor erfolgreiches Zusammenwirken mit Jo Meyer und dessen dann erst später entsprechend gegründeter Gruppe Jams, wiederum von besonderer, sich dann auch künftig entsprechend bewährender Effektivität. (Siehe dazu auch Anmerkung Nr. 9 in meinem Beitrag: "Allgemeine 'Hintergrund-Anmerkungen' zu den Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt", in: www.bhje.de)
Bei seiner Art des Einwirkens auf das was er dann musikethnologisch interpretierte, handelte es sich eben auch um einen wechselseitigen (vielleicht auch wieder 'oszillatorisch' zu bedenkenden) Vorgang, innerhalb dessen es nicht nur um bevorzugt ausgewählte, sondern eben auch um interpretatorisch entsprechend zurecht gebogene Interpretationsobjekte gehen konnte.
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Dazu möchte ich auch etwas näher auf Entwicklungen eingehen, welche sowohl bestimmte DDR-Folk-Tanz Wirklichkeiten, aber eben auch die diesbezüglichen Positionierungen von Erich Stockmann verdeutlichen können, wobei ich (wie schon angemerkt) ohnehin meine, dass sein spezifisch selektierender und des weiteren spezifisch umfärbend-übertragender Blickwinkel beim Zustandekommen von derartigen musikethnologischen Texten, eben nicht unabhängig von seinem entsprechend spezifisch selektierendem Eingreifen in bestimmte Bereiche und Entwicklungen dieser Neo-Folklorebewegung zu sehen ist. Ein Einflussnehmen, welches ihm, der doch stets als eine musikethnologische Wissenschaftsautorität von Weltbedeutung auftreten konnte, gerade unter den sich allzu leicht nach 'offiziellen Autoritäten' orientierenden politischen Verhältnissen in der DDR, auch immer wieder ganz unangefochten möglich war.
Zu seinen diesbezüglichen Verhaltensweisen gegenüber Konzeptionen, oder eben auch realen Entwicklungen, die seinem Machtkonzept nicht gelegen sein konnten, habe ich mich bereits verschiedentlich (so eben auch im Zusammenhang mit den "Eigentümlichkeiten im Umgang mit der deutschen Cister…") geäußert und bin dabei auch auf das besondere Verhältnis welches er dabei im Laufe der Zeit zur Gruppe Windbeutel entwickelt hatte (siehe ebenda z.B. auch Anmerkung Nr.89) eingegangen.
Nach der allgemeinen Öffnung der DDR-Staatsgrenze in Berlin, ergaben sich natürlich insbesondere für die Ostberliner Neo-Folk-Gruppen ganz neuartige Möglichkeiten aber eben auch ansonsten andere Bedingungen. (Darauf hatte ich ebenfalls in der soeben erwähnten Anmerkung Nr. 89 hingewiesen.) Eine der für bestimmte Berliner Musikanten bemerkenswertesten neuen Möglichkeiten bestand dann auch in der Chance, nun als Ostberliner Musikgruppe zusammen mit Westberliner Musikern, an den "Steuben-Paraden" in bestimmten Ostküsten-Städten der USA teilnehmen zu können. Derartige Teilnamen an diesen Paraden wurden von Westberliner Seite her schon seit Längerem alljährlich durch die dortige "Initiative Berlin - USA" organisiert, welche nun auch interessiert war, dafür entsprechend geeignete Musikgruppen aus Ostberlin auf eine solche zweiwöchige USA-Tournee mit zu nehmen. Um dafür eine entsprechende Auswahl treffen zu können, organisierte dieser Initiativverein also Videoaufzeichnungen zu einer Vielzahl von dafür vielleicht in Frage kommenden Musikgruppen. Damals war immer wieder die Rede davon, dass es sich um Aufzeichnungen zu ca. sechzig verschiedenen Musik-Gruppen gehandelt habe. Ich würde dieses Video-Material, falls es heute noch existiert, für ein ausgesprochen beachtenswertes Dokument zu einem besonderen Ausschnitt von damaligen Berliner Musikaktivitäten halten. Gerade auch weil dabei offenbar nicht nur "Neofolk-Gruppen" (von denen es nach meiner Erinnerung damals in Ostberlin mehr als zwanzig gab) sondern eben auch andere Ensembles dokumentiert wurden, und damit also auch ein diesbezügliches 'Berlin-Material' aus den letzten Monaten der DDR, entsprechend musikwissenschaftlich-vergleichsanalytisch ausgewertet werden könnte. So wäre jedenfalls meine heutige Sicht zu den möglicherweise immer noch vorliegenden Materialien dieser damaligen Video-Recherche.
Meine damalige Sicht war allerdings mehr durch das zunächst verblüffende Ergebnis dieser Recherche geprägt: Die Gruppe Windbeutel erhielt alsbald die offizielle Bestätigung, dass wir zu den für diese USA-Reise auserwählten Gruppen gehören, wobei aber andererseits die Nachricht, dass "Jams -Tanzhaus", - also die damaligen 'offiziellen Stars der Ostberliner Folk-Szene', offenbar nicht genommen wurden, einiges Erstaunen auslöste. Ein Erstaunen, welches allerdings auch mit spannungsgeladener Aufregung verbunden war, da Jo Meyer sogleich ankündigte, nun die entsprechenden Schritte gegen diese Fehlentscheidung zu unternehmen…
Mir erschien es letztlich als einleuchtend, dass unsere Gruppe, also ein kleines Ensemble mit vielen Instrumenten, aber nur wenigen (drei bis vier) Personen, allein schon aus Transportkostenerwägungen, aber wohl auch aus möglichen musikalischen Gründen (so konnte z.B. damals wohl keine andere Folk-Gruppe in Berlin oder auch der ganzen DDR, alle drei Grundtypen von traditionell-altdeutschen Dudelsackinstrumenten in ihren Programmen vorstellen etc.) hier vergleichsweise als günstiger (bzw. 'ökonomischer') abschneiden konnte, als etwa Jams-Tanzhaus, für die doch eher das Gegenteil zutraf: Ein mit vielen Tänzern aufgeblähtes Vielpersonen-Ensemble, mit proportional weit weniger Instrumenten, - aber doch auch mit dem inzwischen allenthalben üblichen "Mittelalterdudelsack"….
Es erschien mir aber auch als sicher, dass Jo Meyers Intervention gewiss erfolgreich sein wird, da ich nun wieder an die entsprechenden Einflussmöglichkeiten von Erich Stockmann denken musste. Später habe ich dann auch einmal versucht Erich Stockmann entsprechend zu dieser USA-Tournee zu befragen, worauf hin er mir sagte, dass ich ganz sicher sein könne, dass er auch dazu damals "ein entscheidendes Wörtchen mitgeredet" habe…Ich denke dazu im Nachhinein aber auch, dass er mir wohl mit Sicherheit die gleiche Antwort gegeben hätte, falls zu dieser "Folk-Tanz-Haus-Jams-Prestige-Problematik" damals nicht bei ihm angefragt wurde.
Was mir nun im Zusammenhang mit meinen oben erwähnten 'Oszillations-Betrachtungen' zur Problematik von 'Boden-Bühnen-Podium-Folk- & Volkstanz' dabei als besonders bemerkenswert erschien, ist Folgendes:
Laut Stockmannschem Plattentext wurde schließlich auch mit Jams-Tanzhaus eine "neue Volkstanz-Qualität" erreicht. Damit konnte sich diese Gruppe nun also auch auf dem ihr bereits zugeordneten Ehren-Podest, in entsprechend repräsentativer Form selbst verstehen und letztlich auch die weitere Bestätigung ihrer entsprechend honorablen Position beanspruchen. Die Ablehnung einer solch bedeutenden Gruppe als Mitglied einer entsprechend politisch repräsentativen 'Berlin-Musikanten-Delegation', konnte damit also keinesfalls vereinbar sein. Jams-Tanzhaus fuhren also auch mit in die USA. Und auf dem dann so garnierten Tablett einer entsprechenden deutschen Kultur-Repräsentation, wurden dem US-amerikanischen Straßen-Paraden-Publikum auch diese 'Folk-Tanz-Aktivitäten neuer Qualität' zusammen mit 'bühnentradiert-traditionell-kostümierten Volkstanz-Ensembles alter Qualität' dargebracht, welche sich dann auch jeweils beide, zumal während der dort obligatorischen Straßen-Paraden, in durchaus gleicher Weise (wenn auch in jeweils anderen Gewändern) als Vortanz-Akteure auf dem jeweiligen Straßenboden verhielten, und da eben keineswegs differenziert als 'qualitativ neuartige Mitmach-Tanz-Aktivisten' einerseits, und 'traditionelle Bühnen-Vortänzer' andererseits, auftraten. Und ebenso versuchten dabei dann auch beide Sorten von 'Volkstanz-Tänzern' sich gelegentlich einen tanzwilligen Partner aus dem Publikum zu greifen, um so auch eine quasi symbolische 'Mitmach-Extra-Runde' drehen zu können…Ganz so, wie man das freilich immer schon auch bei bestimmten Auftritten von traditionell kostümierten Volkstanz-Ensembles in der DDR erleben konnte.
Wenn mir dabei nun, die, in dieser Parade-Situation anlässlich von Steuben-Paraden, so deutlichen Kostümierungsunterschiede als besonders signifikant erscheinen mussten, so kann ich aber doch nicht davon absehen, dass sich wiederum ganz ähnlich zu bedenkende 'Kostümierungstendenzen' natürlich auch schon innerhalb der "Folk-Tanz-Haus- Bewegungen" vermerken ließen, von denen sich freilich damals noch nicht deutlich absehen ließ, wie sich diese wohl weiter entwickeln werden, - zumal sich die Perspektiven dieser neueren ostdeutschen Folk-Tanz-Aktivitäten, alsbald ohnehin wieder weniger deutlich abzeichneten. Aber bereits in den Zeiten der Entstehung erster organisierter Folk-Tanz-Aktivitäten in der DDR, war durchaus zuweilen die "Fraktion von Stirnband-Trägern", oder auch eine gewisse Häufung von szenetypischen Frauengestalten in besonderen 'Folkloregewändern' (die freilich keinesfalls irgendwie originale deutsche Folklore-Trachten sein durften!) zu bemerken. Wenn ich nun andererseits wieder meine unterschiedlichen Erfahrungen als Musikant (ob nun als Tanzmusik-Rocker, als Jazzer, oder später auch als Musikfolklorist etc.) bedenke, so habe ich von den vergleichbaren Proportionen zu dieser USA Tournee noch einen anderen, für mich unabweisbar bemerkenswerten Eindruck.
Ich habe es immer vorgezogen in eher kleinen Musikantenformationen mitzuwirken und dabei, zumal zu DDR-Zeiten, immer dann ganz besondere 'Vergleichsunterschiede' empfunden, wenn ich in solchen kleinen Formationen etwa als Teil von größeren Festival-Aktivitäten oder auch entsprechenden "Kulturdelegationen" etc. dann auch zusammen mit entsprechend größeren, traditionellen "Volkskunst- bzw. Volkstanz-Ensembles" zu reisen, und zu wirken hatte. Meinem Eindruck nach eben in besonderer Weise protegierte 'Riesen-Ensembles', die jeweils mindestens einen Kleinbus, oder oft auch einen ganzen Normal-Bus benötigten, dabei aber oft nur zu einem kleinen Teil aus Musikanten bestanden, wobei mir dann eben auch stets die mentalen Unterschiede zwischen fachkundigen Musikanten und den in anderer Weise Mitwirkenden (wie eben etwa Tänzern oder auch Trachtenträgern und 'Brauchtums-Vorführern' und dann eben auch den immer zahlreicher werdenden Technikern etc.) auffallen mussten.
Die spätere Entstehung so vieler kleiner, und in der Regel überaus agiler und zunächst vorwiegend 'akustisch unverstärkt' wirkender, jugendlicher Neo-Folk-Gruppen, konnte ich dann nicht nur als eine mir musikantisch besonders sympathische Entwicklung, sondern eben auch als einen generellen Gewinn für die Musikfolklore-Kultur in der DDR empfinden. Innerhalb dieser neuen Musikfolkloreentwicklung zeigten sich aber alsbald auch deutliche Tendenzen, die dann doch wieder auch von ganz anderer Art waren und irgendwie den Keim zur Herausbildung wiederum größerer Formationen bzw. entsprechend aufgerüsteter 'Folk-Unternehmungen', in sich trugen. Wie mir schien, jeweils in bemerkenswert institutionsabhängiger Weise. So natürlich die alsbald um sich greifenden "Mittelalter-Aktivitäten" welche sich in die allgemein offiziell organisierten Volksfestaktivitäten einklinkten, und sich so auch zu den alsbald größer werdenden Ensemblestrukturen um Roman Streisand auswuchsen, oder auch die Aktivitäten um eine möglichst fest zu installierende und von Erik Kross zu leitende "Folklore-Bigband", oder auch eine alsbald ins Auge gefasste "Folkloreoper" und dann auch die "Hammer Rewüh" um Wacholder, sowie die ebenfalls in diesem Sinne aufgegriffenen Bestrebungen zu einer groß aufzumachenden "Folk für den Frieden Großveranstaltung", sowie auch die verschiedentlich verfolgten Bemühungen zur Verwirklichung eines ländlichen "Folk-Woodstocks" in der DDR, aber eben auch die nun jeweils mehr oder weniger an bestimmte Institutions-Örtlichkeiten gebundenen "Folk-Tanz-Haus-Veranstaltungen" usw. Dabei muss ich auch meine Initiativen zur Gründung und zu den jeweiligen Auftrittsbedingungen der 'Deutschen Dudelsackspieler Runde / DDR' in diesem Zusammenhang bedenken, da diese ja ebenfalls (allerdings auf eine jeweils flexibel wechselnde Art) nur in jeweils spezifisch DDR-institutionsunterstützter Weise funktionsfähig war, und nur so zuweilen auch mit mehr als zehn Dudelsackspielern (aber eben auch in entsprechend kleinerer Form) auftreten konnte.(Ich denke dabei, dass es wohl Wert wäre auch einmal genauer zu untersuchen, welche möglicherweise zu vergleichend-ähnlichen, oder auch ganz anderen Entwicklungen, es demgegenüber in Westdeutschland gegeben hat, wobei freilich die jeweils unterschiedlichen Proportionierungen in Hinsicht auf entsprechend differierende politische Ausrichtungen und Motivationen, die es dabei jeweils in Ost und West gegeben hat, einer der wohl wichtigsten, wenn auch zur Zeit gerne unterschlagenen, Aspekte wäre.)
Was aber meine Erfahrungen innerhalb dieser USA-Tournee anbelangt, so war für mich wiederum interessant, dass ich mich nun mit der kleinen Folk-Gruppe Windbeutel, wieder einmal zusammen in einer Kulturdelegation mit verschiedenen, offensichtlich in besonderer Weise protegierten 'Folklore-Groß-Ensembles' befand, zu denen nun eben auch Jams mit seinen Tänzern gehörte, welche dabei auch noch genau so agierten, wie es sich eben bei solchen 'Groß-Ensembles' unter diesbezüglichen Bedingungen ergibt; - dabei allerdings von entsprechend aufwändigen Kostümierungsbemühungen und sonstigem 'Folklore-Traditions-Spezialgebaren' befreit waren. Aber ansonsten alles ganz so, wie ich das (wenn auch damals als Mitglied von musikantisch ganz anderen Klein-Formationen) noch aus Zeiten vor der Entstehung dieser Neo-Folk-Entwicklungen in der DDR in Erinnerung hatte. Wenn ich dann noch bedenke, dass es damals in Ostberlin außer Jams auch noch andere spezielle "Folktanz-Musikgruppen" (so eben "Folkinger" oder auch "Hagelschlag und Elfenreigen", welche ich wiederum für besonders interessant hielt) ) gab, aber die Musikanten von Jams, später ihre zunächst eben mit Animationstänzern verbundenen Folktanzaktivitäten dann unter den nun ganz anderen sozialökonomischen und kulturpolitischen Verhältnissen, aufgaben, während andere den "Folk-Tanz" noch weiter betreiben wollten, so wären sicherlich auch in diesen Prozessen wieder bestimmte aufschlussreiche 'Oszillationsbewegungen' zu vermerken. Mir erscheint dabei wiederum die spezifische Darstellung von Erich Stockmann zu Jams, sowohl in allgemein symbolischer als auch in konkret 'managermäßiger' Weise, von Bedeutung:
Mit ihrer entsprechend idealisierend folkhonorig legendenumrahmt gemanagten Präsenz auf dieser LP, konnten die dort von Erich Stockmann in Märchenform als 'halbberufliche und überwiegend noch in ihren erlernten Berufen tätigen Jams-Leute', vorgestellten Musiker, innerhalb der auch damit manipulierten Realität, dann um so sicherer ihren bereits lange zuvor schon beschrittenen Weg vollberuflich kommerziellen Musizierens, erfolgsabgesichert weiter gehen, wobei gerade damit auch zukünftig, ein längst ausgeprägtes besonderes Zusammenwirken mit Jo Meyer um so sicherer 'gemanagt' werden konnte.
Um auf die Problematik einer hier entsprechend 'oszillierenden' Wirklichkeit bzw. derartiger 'Hin- und Her- Bewegungen' bei diesen Folk-Tanz-Entwicklungen noch näher einzugehen, möchte ich auch auf die ansonsten eher peinlichen Querelen, die es im Zusammenhang mit der gerade auch von Erich Stockmann so eingehend bedachten Gründung von Jams gegeben hat, eingehen.
Um es sogleich zugespitzt zu sagen: Damals konnten sowohl der bereits eng mit Jo Meyer zusammenwirkende 'Stadt-Folkloreforscher' Erich Stockmann, als auch ein sonstiger spezifischer Anhängekreis um Jo Meyer, davon ausgehen, dass mit dieser Gruppen-Neugründung nun auch die Existenz der Gruppe Windbeutel beendet sein wird, denn immerhin waren damit zwei Musiker der damals vorwiegend als Dreierformation agierenden Amateurgruppe Windbeutel, nun Gründungsmitglieder der 'de facto professionellen' Gruppe Jams. Allerdings wurde dort zunächst höchster Wert darauf gelegt, dass ich als verbleibender Windbeutelrest davon möglichst Nichts erfahren sollte, was ich mir wiederum nur aus der eigenartigen Intrigenmentalität von Jo Meyer erklären kann, dem ich dann später dazu auch entsprechende Fragen stellte, worauf ich auch hier noch eingehen möchte.
Zunächst scheint mir aber die entsprechende 'Jams-Entstehung' wieder im Vergleich zu äußerlich ähnlichen, aber mental und inhaltlich eben ganz anderen Vorgängen innerhalb bestimmter DDR-Verhältnisse bedenkenswert.
Im Grunde ging es dabei eben auch um die effektive Nutzung von staatlich vergebenen Einstufungen und entsprechenden Papieren.
So wie meine, mir zunächst während meiner Militärzeit mit sehr guter Einstufung verliehene Spielerlaubnis, dann auch während meines Studiums, lange Zeit für die Berlin Feetwarmers der Humboldt-Universität nutzvoll sein konnte, so sollte nun die von Windbeutel erarbeitete Einstufung auch für Jams von Nutzen sein.
Gemessen an den Gesetzen der DDR freilich ein 'nicht ganz korrektes' Verhalten innerhalb einer juristischen Grauzone, aber gemessen an den Realitäten agilen Musikantentums in der DDR etwas völlig Normales, mit dem man auch lange Zeit erfolgreich durchkommen konnte. Und bei der später aus den Feetwarmers hervorgegangenen Gruppe BEF ergab sich dann ein noch deutlicherer 'Übernahme-Vorgang'. Als diese Gruppe, welche allmählich einen geachteten Status errungen hatte, dann im Laufe der Zeit doch auseinander ging, wurden wir von jüngeren befreundeten Rock-Musikern, mit denen wir zwar nie zusammengespielt hatten, aber eben ein in dieser Szene übliches kollegiales Verhältnis hatten, gebeten unsere Spielerlaubnis und auch unseren Band-Namen übernehmen zu dürfen, was diesen Kollegen sofort die Möglichkeit gab, fortan die uns von der Humboldt-Universität zur Verfügung gestellte Verstärker-Anlage zu übernehmen und des weiteren bei entsprechend zahlungskräftigen Veranstaltern auch entsprechende (ansonsten ohne solche Papiere nur schwer erzielbare) Gagen zu verlangen. Und diese Art von selbstverständlich möglicher Kollegialität unter Musikern, war damals auch nie von Hinterhältigkeiten oder Intrigenverhalten getrübt. Wie in der DDR das Konkurrenzverhalten unter Jazzern und Rock-Musikern auch ansonsten gewesen sein möge, - ich habe derartig kollegiales Zusammenhalten und Unterstützen, damals dort mehrfach erlebt.
Ganz anders aber waren die Verhältnisse die mir später im Zusammenhang mit der Singebewegung und dann, in noch verschärfterer Form, in Hinsicht auf manche Neofolkloristen, - und da zumal im Stadium dieser späteren Folk-Tanzbestrebungen, begegneten.
Ich möchte dies natürlich auch im Zusammenhang mit damaligen allgemeineren DDR-Entwicklungen sehen, denke aber, dass sich auch eine solche Sicht nur anhand vieler entsprechender Einzelentwicklungen belegen lassen wird.
Im Falle des damaligen Konflikts zwischen der Gruppe Windbeutel und der Entstehung von Jams, ging es dabei sowohl um unterschiedliche 'musikfolkloristisch-musikantische' Neigungen als auch um 'berufsperspektivisch-kommerziell' ausgerichtete Orientierungen.
Die damalige Windbeutel-Dreierformation hatte (so wie auch zuvor schon) so viele Auftrittsangebote, dass sich davon auch schon vor unseren erst viel später errungenen Einstufungen, durchaus als Folk-Musiker leben ließ. Das war insbesondere für Jo Meyer, der bereits sein Psychologiestudium aufgegeben hatte und nun also von Musik leben wollte, sicher eine beeindruckende Erfahrung. Dem stand aber entgegen, dass ich immer nur auf einen kleinen Teil unserer vielen Angebote eingehen wollte und konnte, da ich keineswegs vorhatte etwa meine, mir stets in erster Linie wichtige Arbeit als Wissenschaftler sowie auch das weitere Musizieren bei Jack&Genossen und bestimmten Jazz-Formationen etc. völlig aufzugeben oder zu gefährden. Für unseren Bassisten Michael Zimmermann, den ich schon lange von gemeinsamen Jazz-Auftritten kannte, war dies weniger problematisch, da er als vielerseits gefragter Jazzer, auch stets viele andere Auftritts-Angebote erhielt. Ganz anders verhielt sich dies aber bei dem völlig unjazzigen und auch rock&blues-fernen, aber ansonsten eben höchst agilen, Jo Meyer, welcher damals auch erst damit begonnen hatte sich das Spiel auf bestimmten Instrumenten gründlicher anzueignen. Dabei kommt hinzu, dass ich wiederum bestimmte Wirkungsvorstellungen zu der Musik die ich machen wollte hatte.
So legte ich auch Wert auf eine möglichst durchdachte 'Verwindbeutelung' eines jeden unserer Musikstücke und war auch stets geneigt, mich auf interessante Auftritte einzulassen die keineswegs von vornherein als 'erfolgreich' gelten konnten. Und ganz so wie auch Jack Mitchell bei Jack&Genossen, war ich der Meinung , dass es oft wertvoller sein kann, das Publikum auch zu spalten oder aufzuregen, als immer nur auf Zujubeln und beifallsumrahmte Auftrittserfolge entsprechend bestehender Erwartungshaltungen aus zu sein. Manchmal habe ich - gerade bei Windbeutel - auch argumentiert, dass es mir letztlich stets wichtiger ist 'der Musik die ich machen will, sicher zu sein' als etwa damit nur dem Publikumserfolg sicher sein zu wollen. Und insofern konnte ich auch bestimmte 'Publikumsmisserfolge' durchaus als entsprechend erfolgreiche Windbeutelauftritte empfinden, worunter allerdings gerade Jo Meyer wiederum eher litt.
Letztlich war mir dann auch sein Interesse an einer Spezialisierung in Richtung auf die alsbald boomenden Folk-Tanz-Veranstaltungen völlig verständlich, ohne dass ich mich aber darauf als eine Spezialisierung für die Gruppe Windbeutel einlassen wollte.
Wir konnten bereits zuvor immer wieder (gerade auch in der damaligen Kombination mit Jo Meyer) erleben, dass einfach spontan getanzt wurde wenn wir - was ja immer wieder der Fall war - entsprechende Tanzstücke spielten. Aber das war eben damals noch nicht in kommerzialisierter Weise organisiert, und eben auch in keiner Weise (so wie eben später) in bestimmten Veranstaltungsformen unter Zuhilfenahme von "Animationstänzern und Tanzmeisterinnen", reglementiert.
Windbeutel hat auch später, seine Auftritte niemals als Folktanz-Veranstaltung (oder etwa als Mitsingeveranstaltung) aufgefasst oder angekündigt und sich da stets eher abwartend darauf verlassen, dass manche Zuhörer - eben abhängig von den jeweiligen Bedingungen - dann vielleicht einfach selber zu aktiverem Mitmachen übergehen; was auch immer wieder der Fall war. Eine Erfahrung die ich auch heute noch zu manchen von unseren Auftritten immer wieder machen kann, auch wenn wir schon lange nicht mehr als 'Neo-Folkloristen' oder etwa als neuartige "Jugend-Folklore-Gruppe" gelten können.
Damals konnte ich jedoch Jo Meyers Haltung durchaus verstehen; - hatte dann allerdings Schwierigkeiten sein entsprechendes Verhalten verstehen zu können.
Bereits während unseres Auftretens mit Gabi Martin zum Dudelsackfestival in Strakonice begann er damit, rumzuerzählen, dass er sich für Windbeutel eigentlich gar nicht interessiert und mit dieser Gruppe nur mitgefahren sei, um hier andere Gruppen kennen zu lernen (was mir dann von verschiedener Seite mit entsprechender Verwunderung zugetragen wurde) und er verhielt sich dann auch auf der dortigen großen Bühne des Burghofes dementsprechend, indem er zu unserem bereits angesagtem Gruppenauftritt erst in letzter Sekunde und dabei auch noch mit völlig verstimmter Mandoline, auf die Bühne sprang, so dass unser Programm - vor einem nun verwundert wartenden, aber auf seine entsprechenden Kaspereien dann auch freundlich reagierenden Publikum - entsprechend notdürftig umgestellt werden musste.
Die 'Stunde der Wahrheit' ergab sich aber erst viel später, da er auch nach diesem Festival alle weiteren, (freilich stets auch Geld einbringenden) Windbeutelauftritte aktiv mitmachte.
Allerdings wurde ich dann später, plötzlich kurzfristig überraschend, von ihm gedrängt, unbedingt einen, angeblich leider versehentlich vergessenen, aber doch schon lange zugesagten Windbeutelauftritt zusammen mit Michael Zimmermann wahrzunehmen, wobei mir dann selbst während der mehrstündigen Autofahrt zu dieser Veranstaltung nicht gesagt wurde um was es da wirklich ging. Zur Ankunft am Ort der Veranstaltung entfaltete Jo dann eine eigenartige (aber für ihn eben keineswegs untypische) Hektik und forderte meine gesamte Aufmerksamkeit bis zum Beginn unseres Auftrittes, mit entsprechend vielen Nachfragen zur Programmgestaltung und zu einzelnen Titeln usw.
Erst als ich nach diesem Konzert-Auftritt, kurz vor unserer dann sofort eingeleiteten Rückfahrt, von verschiedenen dortigen Bekannten gefragt wurde, ob ich "nun auch bei Jams eingestiegen sei", konnte ich auf diese Weise erfahren, dass da soeben ein "Jams-Konzert" stattgefunden hatte, und eines der inzwischen allerdings bereits abgehängten Jams-Plakate, wurde mir dann auch als Beweis gezeigt.
Die dann unvermeidliche Aussprache mit Jo, in welcher er alle entsprechenden Ungereimtheiten immer wieder mit (mir freilich stets als fragwürdig erscheinenden) Hinweisen auf den "komplizierten psychischen Zustand" von Michael Zimmermann zu erklären suchte, ergab dann aber doch viel Bemerkenswertes.
Auf meine Vorhaltung, dass er mit dieser Art von Gruppenneugründung immerhin auch die jahrelange Arbeit der Gruppe Windbeutel kaputt mache, und er doch stets über alle seine diesbezüglichen Absichten und Vorhaben hätte offen sprechen können, erwiderte er nur, das Windbeutel ja noch nicht kaputt sei, da ich zusammen mit Gabi Martin doch wohl keinerlei Schwierigkeit haben werden, alsbald wieder neue Musiker zu finden und verdeutlichte in seinen Erklärungen für sein Verhalten vor allem, dass er (eben im Unterschied zu Windbeutel) bei Jams und Folktanz noch nie einen 'Flop' erleben musste, und dass das Konzept von Jams-Tanzhaus-Veranstaltungen eben eine absolut sichere Sache sei. Und darüber konnte ich mich dann auch - bei allen sonstigen zuvorigen und dann eben gerade auch damalig aktuellen Verspannungen - sehr ausführlich mit ihm unterhalten und austauschen, was mir wiederum geholfen hat diese Folktanz-Entwicklung auch aus einer diesbezüglichen Sicht gründlicher reflektieren zu können.
Wer zusammen mit einigen Animationstänzern und einer damals in diese Szene sicheren und eben "freundeskreistreuen" Schar von mitgebrachten Folk-Tanz-Anhängern in jeweils veranstaltungsbewährten und möglichst auch regelmäßig feststehenden Lokalitäten, zum Folk-Tanz aufspielt, der liefert sich tatsächlich keinem irgendwie vorstellbarem 'Flop-Risiko' aus. Selbst falls zu einer so bedingten Veranstaltung dann kein einziger weiterer Gast erscheinen sollte (was in damaligen 'Folk-Zeiten' allerdings keinesfalls zu erwarten war) konnte doch überhaupt nichts schief gehen. Schon zu Beginn konnten Animationstänzer und Tanzmeister und dann auch die mitgebrachten Folktanz-Enthusiasten die Saalfläche beleben und selbst bei nur geringem weiteren Besucherzulauf, konnte eine so organisierte Veranstaltung mit Sicherheit zu einem erfolgreichen, und von den meisten Beteiligten auch so empfundenen, Erlebnis geraten. Zu entsprechend konzipierten Veranstaltungen war eben allein schon deswegen kaum ein 'Flop' möglich, weil ohnehin nur das Publikum angesprochen wurde, welches zur dargebotenen Musik auch tanzen wollte. Und auch falls einmal ein zunächst zögerndes und abwägend-prüfendes Publikum erreicht werden musste, so sind immer die Animatoren da, die sofort auf der Tanzfläche erscheinen und dann auch auf zunächst vielleicht abwartende Anwesende offensiv zugehen und persönlich - in dann nur schwerlich ablehnbarer Weise - zum 'Mitmach-Folktanz' auffordern…
Völlig anders wenn ich dazu vergleichsweise die Problemkonstellationen bedenke die einem ansonsten bei Windbeutel-Auftritten begegnen konnten, wo es durchaus möglich war, dass wir auch vor Leuten auftraten, die zunächst ganz offensichtlich auf die von uns gespielte Musik überhaupt nicht vorbereitet, und vielleicht auch daran zunächst gar nicht interessiert waren. Wenn man bereit ist sowohl in Zeltlagern und auf Campingplätzen, auf Dorffesten und zu Straßenmarktveranstaltungen, aber auch auf Hochzeiten oder Brigade- und Betriebsfeiern, aber eben auch in kleinsten Klubs und größten Sälen aufzutreten und dabei einem Publikum gegenübertritt welches einem sowohl locker in Badeanzügen auf einer Wiese liegend als eben auch steif in Schlips und Kragen an Tischen oder in Stuhlreihen sitzend, begegnet, setz man sich freilich, falls man vor allem die Vermeidung von 'Flops' im Sinn hat - einem weit größeren Risiko aus. Wenn man anders gesinnt ist, kann man allerdings auch den jenseits von Gelderwerb liegenden eigentlichen Sinn musikantischen Wirkens, als entsprechend erstrebenswert und als genussvoll-sinnvoll empfinden. Es kann eben einen großen Unterschied ausmachen, ob man vor allem dort Sinnerfüllung zu finden glaubt, wo man bei Zuhörern auf Begeisterung entsprechend bereits bestehender Erwartungshaltungen trifft, oder Zuhörern die Möglichkeit und das Vergnügen bereiten kann auch selbst zu entdecken, dass die ihnen da zunächst vielleicht unerwartet vorgespielte Musik, doch eigentlich ihre eigene ist und sein kann, womit dann auch, sowohl ganz neuartige Begeisterung und weitere, nun erst angeregte Erwartungen als eben auch verschiedenartige Besinnlichkeiten, ausgelöst werden können.
Erich Stockmanns Formulierung, dass da innerhalb der DDR-Folk-Tanzinitiativen "eine neue Qualität in der Volkstanzmusik" erreicht wurde, ist - trotz aller sonstigen Falschheiten seiner Darstellung - keineswegs einfach unwahr. Auch wenn sie da letztlich doch als wesentliches Element der Gesamt-Falschheit seines Textes mitwirkt. Wenn man nur diese 'Neuigkeitsaussage' zu bedenken hätte, so wäre da allerdings hinzuzufügen, wie gerade doch in diese Qualität wiederum spezifisch Altes - sowohl folkloristisch-traditionell Altes als eben auch weniger folkloristisch Altes - in neuer Weise einfließen und eben auch 'zurückfließen' konnte. Mir scheint jedenfalls offensichtlich zu sein, dass bei dieser von Erich Stockmann als neuartig beschriebenen 'Folks-Tanzhaus' Entwicklung in der DDR, gerade auch wieder Altes im nicht folkloristisch-traditionellem Sinne, in wieder besonderer Weise einfließen konnte.
Im Sinne meiner bereits betonten 'Oszillations-Betrachtung' muss ich dazu freilich unvermeidlich anmerken, dass, durchaus im Unterschied zu den Anfängen dieser neuartigen Jugenfolklorebewegung in der DDR, im Stadium der Entstehung des dann neuartig organisierten Folk-Tanzes, eben wieder überaus charakteristisch nichtfolkloristisch-Altes eingeflossen ist.
Von wirklich neuen Tendenzen der Beschäftigung mit traditioneller deutscher Volksmusik und da auch von einer durchaus 'neu entstandenen Qualität' muss aber sicher hinsichtlich dieser jugendlichen Neo-Folkloristen gesprochen werden, von denen sich viele eben auch mit einer ähnlichen Auftrittsvielfalt auseinanderzusetzen hatten, wie ich sie soeben zu Windbeutel beschrieben habe. Aber gerade diese Kultur von Auftrittsvielfältigkeit ist in der DDR wesentlich durch eine Vielzahl von stets auch spontan agierenden FDJ-Singegruppen (oder eben "Singeklubs") vorbereitet worden und dann freilich durch die nachfolgende Jugend-Musikfolklore wiederum bereichert worden. Die spätere Folk-Tanz-Entwicklung ist mir dann wieder als eine durchaus auch ambivalente und entsprechend 'oszillatorisch' zu bedenkende Weiterentwicklung begegnet, innerhalb derer dann auch die ansonsten zweifellos gemeinschaftssinnigen Tendenzen musikfolkloristischen Musikantentums, in den nun durchaus anders gefärbten Bahnen eines gut zu organisierenden und eben auch entsprechend zu kommerzialisierenden, 'Szene-Tanzgeschehens' ablaufen konnten.
So geht es bei Tanz, und eben auch bei 'Folk-Tanz' in diesem neueren und vermeintlich "zurückgekehrtem" Sinne, schließlich auch immer in besonderer Weise um die Suche nach spezifischen Formen von Geselligkeit, innerhalb derer hier der Synlokalisation paarungsinteressierter Individuen sicherlich eine größere Bedeutung zukommt, als bei sonstigen Musikfolklore Veranstaltungen.
Der wirkliche 'Volks-Tanz' ist meiner Meinung nach immer nur das was die Leute auch wirklich tanzen, auch wenn es sich dabei nicht um "Folklore" im traditionellen Sinne handeln möge. Dass da immer wieder (meiner Auffassung nach eben in einem oszillatorischen Hin-und Her) auch Elemente von folkloristisch traditionellem Alten in neue Wirklichkeiten einfließen können, wie eben auch in solchen jeweils neuartigen Einflüssen (die man freilich auch als entsprechende Rückflüsse auffassen kann) wiederum 'nichttraditionelles Altes' eine Rolle spielen kann, scheint mir offensichtlich und ich denke, dass künftige Musikethnologie dabei nicht nur auf entsprechende nationale (bzw. speziell 'ethnische') Elemente folkloristischer Traditionen, sondern (zumal beim wirklich 'wirkenden' Volks-Tanzen) vielleicht vielmehr auch auf die Vielfalt jeweils internationaler (bzw.' multikultureller') Einflüsse auf gegenwärtige Tanz-Realitäten achten sollte, wobei ich dazu wieder meine , dass wohl ein großer Teil gegenwärtiger 'Volks-Tanz'-Wirklichkeiten, Wurzeln im Traditionell-Folkloristischen hat.
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Dazu muss ich auch auf bestimmte Besonderheiten der in dieser Szene damals weit verbreiteten "Folk-Family"-Ideologie verweisen, zu denen ich mich auch in meinem Beitrag "Allgemeine 'Hintergrund-Anmerkungen' zu den Dudelsackpfeifen aus meiner Werkstatt" (beispielsweise in den dortigen Anmerkungen NR.15 und 16 sowie im dazugehörigen Anhang) näher geäußert habe. In: www.bhje.de
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